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Kulturflatrate? Naja.

Neulich erwähnte ich die gerade politisch recht konkret diskutierte Utopie des Bedingungslosen Grundeinkommens und sympathisierte eher. Heute möchte ich eine andere politisch recht konkret diskutierte Utopie erwähnen, der ich eher skeptisch gegenüber stehe: die “Kulturflatrate” (Wikipedia). Anlass: Markus Beckedahl hat für Netzpolitik.org ein ausführliches Gespräch mit dem Medienforscher Dr. Volker Grassmuck über eben dieses Konzept geführt, ein Podcast, den anzuhören ich nur empfehlen kann.

Die “Kulturflatrate” ist grob gesagt die Idee einer Legalisierung von Filesharing durch eine monatliche Pauschale, die an die in Tauschbörsen getauschten Kulturproduzenten ausgeschüttet werden solle. Wir gehen davon aus, Filesharing is here to stay, aber es gibt da noch die Geldeinnahme-Interessen der Produktionsseite, und die Kluft zwischen beidem macht Ärger. Die “Kulturflatrate” soll diese Kluft nun überbrücken: sicherstellen, dass die Kulturproduzenten entlohnt werden, und gleichzeitig den Filesharing-Nutzer vor Einschränkungen seiner Netzfreiheiten durch repressive Konstrukte wie DRM (“Digital Restrictions Management”) oder drakonische Strafaktionen (“three strikes and you’re out”, den Filesharern ein Internetverbot aussprechen) schützen.

Rechtssicherheit für meine Netzfreiheit mit einer geringen monatlichen Pauschale erkaufen, das klingt doch erstmal nicht schlecht. Aus Nutzerseite gesehen würde es wohl (bei vertretbar geringer Höhe der Pauschale) erstmal einer Entlastung und einem Freiheitsgewinn gleichkommen. Meine Skepsis richtet sich aber vor allem gegen a) den Verteilungsapparat, den die “Kulturflatrate” benötigen würde (notwendig würden eine zentralistische Bürokratie und Erfassungs- und Regulierungsmaschinerie, die “Kultur” und ihren “Konsum” sortiert und nach dieser Sortierung finanziell entlohnt) und b) dass sie einen speziellen “Kultur”-Vergütungsanspruch affirmiert, dessen Zeitgemäßheit ich hinterfragen möchte.

a) Erfassungs- und Verteilungsapparat

Wir haben solche Konstrukte wie die GEMA, und die erweisen sich gerade gegenüber der hohen kulturellen Dynamik des Web als zu unflexibel, um überhaupt technisch mitzukommen; sodass die resultierende Ausschüttung größtenteils immer noch nach längst obsoleten Normen des letzten Jahrhunderts verläuft. Bürokratie und Ineffizienz fressen sich in so einem Apparat satt. Kulturflatrate-Befürworter führen nun Ideen für intelligentere und effizientere Verteilungsautomatismen an, die z.B. die Zirkulationsgröße eines Titels in Filesharing-Börsen direkt misst und in Ausschüttungsanteile umrechnet usw. Das stellt technische Herausforderungen, die erstmal geleistet werden müssen; es fordert z.B. von Medienzirkulationstechnik, Überwachungsmechanismen zu implementieren, die an die Verteilungsschlüsselintelligenz der Kulturflatrate zurückfunken. (Da gibt es z.B. kritische Datenschutzfragen, die mir aber als Post-Privacy-Apologet erstmal egal sind; und natürlich, wenden die Kulturflatrate-Befürworter ein, könne man sowas auch anonymisiert erfassen; aber ich kann mir auch Verteilungsschlüssellogiken vorstellen, die es erfordern, dass man z.B. misst, ob eine Datei jeweils einmal von hundert Menschen konsumiert wurde oder hundertmal von einem Menschen, und da würden die Erfassungsmechanismen schon sich auch stärker personalisieren müssen.) Da müsste man erstmal mit Zwang oder Moral jeden Tauschbörsenentwickler nötigen, dem zu folgen.

So ausgefeilt das Mess- und Verteilungsschlüsselsystem auch sein mag, das man sich zurecht legt, ich sehe eine enorme Herausforderung darin, es so flexibel zu gestalten, dass es mit der ungeheuren Kulturveränderungsdynamik des Web mithalten kann. In vergleichbaren Fällen braucht es heute ja schon mehrere Jahre, damit festgefressene Interessengruppen und Bürokratien und Politiker sich über Zahlen hinterm Komma in einigen grundstrukturell unveränderten Rechenformeln einig werden; dieweil sich im Web mit Eilgeschwindigkeit nicht nur einige quantitative Verteilungen, sondern vor allem auch qualitative Bedeutungen verändern. Heute reden wir von mp3s und AVIs, morgen von interaktiven Multimedia-Content-Flüssen ohne klar definierte Grenzen, die im Hin und Her zwischen wandernden Nutzerscharen spontan entstehen und wieder vergehen. Die Verwertungsindustrien haben gerade mal begriffen, was Napster war, da kippen Bittorrent und YouTube die Badewanne mit neuer Technologie/Kulturtechnik gleich von Neuem aus. Eine Messlogik, die sich auf festgelegte technologische Verbreitungsstrukturen und Verteilungscontainerformen (wie etwa das einzelne Stück, den einzelnen Film) konzentriert, dürfte kaum mitkommen; eine Messlogik mit der notwendigen Flexibilität dürfte sich kaum politisch durchsetzen lassen. Wie sähe eine Kulturflatrate für 4chan aus?

Zwischenfazit

Aber vielleicht will die “Kulturflatrate” gar nicht alle Probleme lösen, sondern erstmal Luft aus der Contentpiraterie-Hysterie rausnehmen. Eine Art Schutzgeld gegenüber der Verweltungsgesellschaftenmafia, damit sie uns endlich in Ruhe, damit sie ein Verhalten gewähren lässt, das längst allgemeine und produktive Kulturtechnik geworden ist, hinter die wir nicht mehr zurückkönnen. Eine langfristige Lösung sehe ich in der Kulturflatrate nicht. Kurzfristig könnte sie aber vielleicht auch Freiraum schaffen, indem sie den neuen Netzfreiheiten eine größere Akzeptanz auch unter den vorherrschenden Systemen verschafft. Der kurzfristige Freiheits-Impuls, der dazugewonnen wird, darf aber nicht geringer sein als der Druck der neuen zentralistischen, langfristigen Kontrollstrukturen, die man sich damit als Kollateralschaden einkaufen würde. (Dass ein solcher Apparat Spielball machtpolitischer Interessen werden könnte, die einen etwa fordern könnten, nationale Kultur darüber zu fördern, die Anderen, “gute” Kunst besser zu stellen als “schlechte” — sollen YouPorn-Videos genauso vergütet werden wie Beethoven, werden halbillegale Neonazi-Bands auch von meiner Pauschale bezahlt? —, brauche ich wohl gar nicht erst mit anzuführen. Wie weit die Akzeptanz für die politisch unsensible Objektivität blinder Algorithmen reicht, sieht man ja bei deutscher Google-Suchergebniszensur.)

b) Affirmation des “Kultur”-Vergütungsanspruchs

IMHO ist inzwischen jedes Geschäftsmodell, das auf Verknappung/Monopolisierung digitalisierter Informationen setzt, und damit auch der meiste Paid-Content-Krams (ausnehmen würde ich Konzepte wie z.B. Geld vor der Produktion zu zahlen; der Schriftsteller, der erst das nächste Kapitel abliefert, wenn eine Mindesteinnahmesumme erreicht ist), langfristig dem Tode geweiht. Die Industrie, die weiterhin darauf setzt, kracht zusammen. Vielleicht mogelt sich mancher mit “innovativen Geschäftsmodellen” (auch die meisten Konzepte für Werbeeinnahmen sehe ich als langfristig dem Tod geweiht an) durch, und vielleicht entstehen so ja sogar nachhaltig neue Wirtschaftswege, um mit digitalisierter “Kultur” Geld zu verdienen. Vielleicht ist der Zug aber auch abgefahren. Warum soll ich noch Geld für etwas bezahlen, das bereits im Netz liegt? Die Arbeit ist ja bereits geleistet. Ja, aber dann verhungern doch ganz viele Künstler? Nun, niemand sollte verhungern, das möge ein Bedingungsloses Grundeinkommen sicherstellen (das auch Volker Grassmuck übrigens im Podcast in Erwägung zieht als Alternative zur Kulturflatrate, aber letztere als politisch in erreichbarerer Nähe verortet), aber warum sollte man daneben jene extra subventionieren, die dieses Ding “Kultur” (überhaupt, wer definiert, ab wann mein Content “Kultur” ist, oder fällt darunter jede Zeichen- bzw. Reiz-Anordnung, die ich weiterreichen kann? Wenn ich an meine Brille eine Kamera montiere und einen Feed meines gesamten Tagesablaufs ins Netz funke, ununterbrochen, ist das dann auch “Kultur”?) “produzieren”? Weil Kultur wichtig für die Gesellschaft ist! Ja, aber ich glaube nicht, dass plötzlich keine menschliche Kultur mehr entstehen würde, bloß weil ein mit ihr verbundenes kapitalistisches Wirtschafts- und Warenformmodell überrumpelt wurde (natürlich, eine Kulturproduktion wird beeinflusst von ihrem wirtschaftlichen Modus, aber das geschieht gleichermaßen unter Kommerzialismus oder Staatsgremien-genehmer Förderung oder wohlstandsgesättigtem “Interesse-losem” Zeitvertreib der Goldlöffel-Aristokratie). Höhlenmalerei gab’s schon vor dem römischen Mäzenatentum, Musik schon vor Kirchenkapellenaufträgen und Literatur schon vor 1-Cent-pro-Wort-Verträgen (wenn wir schon bei einem etwas engstirnigen Kulturbegriff von Kultur als “schönen Künsten” bleiben wollen). Ein Großteil der prächtigsten Kulturproduktionen im Netz entsteht inzwischen ganz ohne Urheberfokus und damit Copyright-Geschäftsmodell, als emergente Meme, die sich selbständig fortpflanzen, ohne Lizenzzahlungen zu verlangen. Der Begriff des Urhebers selbst wird so mehr und mehr in Frage gestellt; und wenn dieser wegfällt, auch als Rechtfertigungspol für die Verwertungsgesellschaft, wer sollte dann noch Content vergütungsfähig “besitzen”? (Etwas weniger schlimm sehe ich es bei Dienstleistungen wie z.B. Live-Konzerten. Die würde ich aber eben als Dienstleistungen im Sinne von Handlungen sehen, nicht als tote Information, die man mit einem Besitzzertifikat abstempeln kann, um dann zu erhoffen, dass sie auch lange nach Vollendung der eigenen Arbeit den Erben noch das Brot schmiert.)

Aber das ist natürlich schon etwas abgehoben von den Realitäten, mit denen die Politik sich rumschlägt. Insofern könnte die Kulturflatrate als near-term-Ziel durchaus kurzfristig freiheitswirken. Vielleicht als Stufe zu Entlegenerem? Aber wie gesagt, wir müssen aufpassen, dass wir im Handel um unsere Sicherheit nicht zuviel von unserer Zukunft an die Vergangenheit verkaufen, uns nicht das wegerpressen lassen, das uns qua Internetrevolution zusteht.

Friday February 27, 2009

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Kommentare

  1. Ralf G. / 28. February 2009, 08:59 Uhr

    Guter Text! Ich habe mich in Sachen “Kulturflatrate” noch nicht entschieden, ob ich das gut finde oder nicht, bin aber eher skeptisch. Warum die Agonie sterbender Einnahmemodelle künstlich verlängern?

    Einerseits würde das Flatratedingen wohl in der Tat erst einmal “Entspannung” bringen, andererseits würde eine faire Messung und Auszahlung im Grunde genau die Überwachungsmechanismen erfordern, die man andernorts heute gerne für “3mal und du bist raus” einbauen möchte. Wären die dann auf einmal “gut”?

    Und Erfahrungen mit der gesellschaftlichen Realität von Organisationen wie GEZ, GEMA oder VG Wort können einen eigentlich auf der Stelle zum energischen und grundsätzlichen Gegner jeglicher Form quasi-staatlicher Verwertungs- und Abrechnungsbürokratie werden lassen.

  2. mspro / 28. February 2009, 09:36 Uhr

    Vielleicht die Kulturflatrate als Zwischenlösung implementieren, zeitlich von vornherein begrenzt und gestaffelt in der Summe zurückgefahren. Und dann langsam abwickeln. Beim Bergbau hat das doch auch geklappt.

  3. flynn / 01. March 2009, 14:14 Uhr

    Ich denke, gerade im Zuge des Kollaps der alten Systeme, wäre es endlich an der Zeit über Konzepte für heute und morgen nachzudenken, anstatt sich in Utopien für übermorgen (Kulturflatrate, Grundeinkommen) zu verlieren.

    Arbeit ist ein überholtes Konzept. Es gibt jetzt schon viel zu wenig davon und im Zuge fortschreitender Automatisierung werden auch diejenigen deren Mehrwert man (noch) nicht aus der Pirate Bay runterladen kann feststellen, dass das Internet und der Fortschritt “Kaufen und Verkaufen” auf Dauer überflüssig oder eher impraktikabel machen.

  4. nexuslex / 09. March 2009, 13:25 Uhr

    wäre halt praktisch, wenn alle Dateien signiert wären und dann direkt über einen implementierten creditchip abgerechnet werden könnten, mit dem ich mich auch identifiziere, wenn ich traffic für die Datei generiere könnte ich türlich Anteil nehmen, wenn ich sie nutzte kostet, könnte man toll das zeichen des tieres nennen das implantat….

    glaube irgendwie das anreiz-belohnungssystem hält noch etwas, für whuffie kriege ich kein bier und auch geistestätigkeit ist wert..

    viele der vermeintlich nix kostenden vergnüglichkeiten und nützlichkeiten sind ja über wenn auch virtual so doch venture capital finanziert….

    was ich meine , toll wäre ein schlicht gerechte, automatische, unkomplizierte Abrechnung… auch ein globales Grundeinkommen wäre niedrig genug, das ich den mir am herzen liegenden Sender gerne unterstützen mögte…

    können nicht einfach die isps zahlen?

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