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24c3 #15: Empörungspolitik

(Bloggen vom Chaos Communication Congress)

20.30 Uhr: Spiel, Freude, Eierkuchen? Die Gamerszene und ihre Reaktion auf kritische Berichterstattung

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Na da erwarte ich mir jetzt aber eine Schlägerei. Rainer Fromm, einer der Autoren der zahllosen zuweilen ins haltlos Hetzerische gleitenden ARD-ZDF-Beiträge wider böse böse Computerspiele, stellt sich einem überfüllten Saal voller Computernerds mit (laut Handzeichen) beträchtlichem Gamer-Anteil. Wird er es überleben?

Er wird. Und das nicht nur, weil er mit Frank Rosengart einen CCCler als Bodyguard zur Seite hat.

Er gibt sich erstmal offen gegenüber einer kritischen Diskussion der Berichterstattung aus den eigenen Kreisen. Er könne nicht verstehen, warum seine Kollegen so wenig gewillt seien, sich mit der Kritik aus der Gamerszene an ihren Beiträgen auseinanderzusetzen. Er finde auch, man sollte selber zumindest ein bisschen die Spiele kennen, über die man berichte, und das sei bei ihm sehr wohl der Fall. Er hatte sie alle in den vergangenen Jahrzehnten, von Doom bis Return to Castle Wolfenstein, und scheint teils durchaus auch Spaß an ihnen gehabt zu haben. Er ist quasi ‘einer von euch’. Er hat zum Beweis einige Spieleverpackungen mitgebracht. Er schüttelt demonstrativ den Kopf ob einiger der abstrusen Detailbehauptungen, die mancher Beitrag über manches Spiel anstelle. Ich beginne, mir Sorgen zu machen, ob das hier noch das Gefecht werde, das ich mir erhofft hatte.

Aber dann doch etwas mehr als nur Einschmeichelei: Er finde die Kritik an der Spiele-Situation durchaus berechtigt. Er finde: Der Jugendschutz, wie er jetzt existiert, funktioniert nicht. Die freiwillige Selbstkontrolle der Spieleindustrie funktioniert nicht. Und das im Angesicht von Spielen, die sehr wohl als höchst bedenklich einzustufen seien.

Seine Kritik der Spiele zielt auf Verrohung wie auf Ideologie. Ihn wurmt die Zwangslogik der Ballerspiele, folge Befehlen zum Töten oder werde selbst getötet, Alternativlosigkeit des Tötens zur Problemlösung, die Verherrlichung, Feier von Gewalt. Die Frauenfeindlichkeit. Er braucht zu letzterem nur “Ich zitier mal aus dem Inhalt von Duke Nukem 3d …” einzuleiten, damit der Saal nickend-kennerisch loslacht: das Geldzustecken an Prostituierte, die sich danach entblößen, um auf einen Schuss aus der eigenen Waffe in eine Geldscheinwolke zu zerplatzen. Er verliest Menschenfolter- und Exekutionstipps aus Spielgebrauchsanweisungen. Weiteres benickendes Uuuh- und Auaua-Gelächter, ja, fraglos, das klingt alles ziemlich heavy; hier werden fraglos auch recht niedrige Triebe angesprochen, die im Gemüt eines Kindes fortwährend zu stimulieren vielleicht nicht die beste Erziehungsstrategie sein mag.

Er will seine Kritik aber noch weiter reichend politisch und ideologiekritisch verstanden wissen. Er nennt sich nämlich studierten Politologen. Mit einem Interesseschwerpunkt auf Rechtsextremismus übrigens. Und in dieser Funktion stoßen ihm tatsächlich einige Haarsträuber ins Auge: Zweiter-Weltkriegs-Spiele, die mit Slogans werben wie “Stalingrad 2003, bist du dabei” oder “Mit Dir hätten wir jeden Krieg gewonnen, sagt mein Opa”. Ihn stört aber nicht nur das Nachspielen von Verbrechen der Waffen-SS, auch das gewinnabsichtige Nachspielen des Vietnamkriegs findet er einen gefährlichen Geschichtsrevisionismus. Und weiter noch denkt er seine ideologische Hygiene: Er klagt an Ideologeme der Spiele wie Heldenbild, Männlich-Kämpferisches, Schwarz-Weiß-Rasterung der Problemlandschaft, Machbarkeitswahn, Technikfaszination, ja, ich zitiere wortwörtlich, Machbarkeitswahn und Technikfaszination. Uh? Damit mag man sich ja gerne kulturkritisch auseinandersetzen oder ein ideologisches Ressentiment hegen, aber was haben Punkte wie die letzten in einer Diskussion über Zensur oder Jugendschutz zu suchen?

Ein Beitrag von ihm wird gezeigt. Ein Vertreter der Spielefirma Electronic Arts wird interviewt. Er weist von sich, dass seine Spiele menschenverachtend seien. Vielleicht zynisch, weil Zynismus eine viel gepflegte Art des Umgangs mit der Welt sei. Irgendwas bekommt nach dem Beitrag Saal-Applaus, ich bin mir aber nicht sicher, ob der Beitrag selbst oder die Anmoderation des Nachfolgebeitrags, die sich mit der Auseinandersetzung zwischen der Jungfrauenkönnigen und Maria Stuart auseinandersetzt.

Fromm resigniert ob der fortgeschrittenen Zeit, immerhin ein Drittel seines geplanten Redetextes durchgegangen zu sein. Rosengart eröffnet die Diskussion mit einer Einführung, man wolle gemeinsam grübeln, wie man sich als der liebe Hacker von Nebenan bzw. der CCC zu derlei positionieren wolle, ob es sich bei dem Gezeigten wirklich um Spiele handle, die man denn so haben, vielleicht lieber nicht haben wolle.

Das wird quittiert mit einem Ruf aus dem Publikum: Gibt es denn auch Bücher, die wir vielleicht lieber nicht haben wollen? Filme, die wir vielleicht lieber nicht haben wollen? Rosengart entgegnet kühl: Ja, gibt es. Und ich spüre den little baby libertarian tief in mir crying.

Die Diskussion wird in der verbleibenden Viertelstunde eine durchaus etwas lautere, wenn auch in congressmäßig zivilisiertem Maße. Das Format ‘Einer steht am Mikro und stellt eine Frage, der Referent antwortet, dann kommt der nächste dran’ ist einfach inkompabitel für den auflodernden Diskussionsbedarf im Saal, und am produktivsten läuft’s in einem Ping Pong von Hin- und Herrufen über die Saalecken hinweg.

Das Ganze sei eine Frage der Verantwortlichkeit der Eltern, nicht des Staates, einer. Fromm: Man solle die beiden Verantwortlichkeiten nicht gegeneinander ausspielen.

Wo ist die Kausalität, machen die Spiele nachweislich zu Gewalttätern und Rechtsextremen? Wo ist die empirische Basis? Wenn so viele Spieler nicht zu Gewalttätern werden, muss die Verantwortung dann nicht woanders zu suchen sein? Fromm verwehrt sich gegen derlei, er verliest einen Polizeibericht über den Medienbesitz Robert Steinhäusers, und er habe selbst schon viele Gewalttäter interviewt, da liege immer auch ein großer Gewaltmedienkonsum vor. (Ja, klar, Korrelation, die Frage nach der Kausalität hat er damit aber noch nicht beantwortet. Christian Pfeiffer, der. Pfeifferismus. Hey, das Wort lasse ich mir patentieren.)

“Das ist ganz rudinmentäre Logik erstes Semester, dass das einfach Quatsch ist”, einer. Die Kinder spielen nicht die Kriegserfahrung ihrer Großeltern nach und kämpfen nicht für den Ausgleich der erlittenen Schmach in Vietnam — sie durchspielen Szenarien postmoderner Flachheit, Medienbilder, in denen sie aufgewachsen sind (Knopp? Tagesschau?), gleichen Realitätswerts und gleicher Gefahr wie der nächste Abenteuer- oder Horrorfilm im Nachmittagsprogramm, Spaß ohne Realitätsanspruch. Fromm antwortet leicht einwurfsverfehlend mit der für ihn bösen Ideologie in der Logik der Spiele.

“Sie haben ein generelles konzeptuelles Problem mit ihrer eigenen Moralvorstellung”, einer. Er klage einerseits die Verharmlosung von Kriegsschrecken im Spiel an (die Stadt einnehmen, im Spiel unerwähntes Detail am Rande, dass dies historisch einem großen Judenmassaker den Weg öffnete), sei aber andererseits gegen explizite Gewaltdarstellung in ihnen. Fromm kontert passabel, wogegen er sei, sei eine Zelebrierung von Gewalt.

Die Höhepunktswortmeldung aus dem Publikum lautet (ich paraphrasiere mal aus meinem immer unübersichtlicheren Notizenhaufen): Hallo, ich bin übrigens (nachdem zuvor an einer hier im Blogeintrag nicht notierten Stelle mangelnde Schnittmengen zwischen Bundestagsabgeordneten und Anwesenden unter den Gamerszene-Kritikern an den ARD-ZDF-Kampagnenbeiträgen prognostiziert wurde) Bundestagsabgeordneter (ich glaube, es ist Jörg Tauss), und was Sie da betreiben, Herr Fromm, ist einfach Populismus und Pfeifferismus. Die Kausalzusammenhangsbehauptungen sind fragwürdig, und wir haben hier in Deutschland übrigens einen der besten Jugendschütze überhaupt und eine Selbstkontrolle der Industrie, die vorbildlich funktioniert. Fromm kontert in gekonnter Polemik: Dass sie mir nach diesem Beitrag Populismus vorwerfen …

Und kaum war die Diskussion gut ins Rollen gekommen, war die Zeit leider schon um, und der Saal musste fürs Nächste geräumt werden.

Friday December 28, 2007

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Kommentare

  1. philip / 30. December 2007, 18:19 Uhr

    es war tauss und er hatte zurecht den größten lacher des vortrags auf seiner seite.

    problematisch fand ich an der ganzen vorstellung, dass es gar nicht um das thema ging, das eigentlich zu erwarten war. fromm zeigte nicht einen der beiträge, die grundlage der bisherigen diskussion war, in dem tatsächlich populistisch die einfache gleichmacherei von gewalthaltigem spiel und verhalten präsentiert wurde. er zeigte ja seinen beitrag über kriegssimulationen, den zumindest ich noch gar nicht kannte und dem auch bisher niemand ernsthaft widersprochen hat.
    die anderen durchaus journalistisch und logisch mangelhaften fernsehbeiträge wurden gar nicht diskutiert. fromm hat also das gemacht, was er politikern wohl gern auch vorwirft: populismus in der form, dass man gar nicht auf die gestellte frage antwortet, sondern anfängt, etwas ganz anderes zu diskutieren. und natürlich konnte er sich sicher sein, dass man ihm in sachen ekliger geschichtsrevisionistischer wehrmachtssimulationen nicht widerspricht. aber darum ging’s ja eigentlich auch gar nicht.

  2. iggy / 31. December 2007, 03:27 Uhr

    strange things happen… ich hab mit dir vor der cbase über diesen vortrag diskutiert, über den ich nur hier gelesen hab, ohne die identität zu bemerken.

  3. Christian / 07. January 2008, 19:33 Uhr

    @iggy: Hihi, tja, so geht’s ;-)

  4. Jürgen / 07. August 2008, 18:56 Uhr

    Leider finde ich hat bei der Veranstaltung letztes Jahr niemand den ungeheuerlichen und perfiden Anschuldigungen etwas entgegen gesetzt, oder Gelegenheit dazu bekommen – jedenfalls nicht in der überlieferten Übertragung.
    Also ich kann als Historiker und Kulturwissenschafter den Auftritt dieses Journalisten nur verantwortungslos, völlig indiskutabel finden, und habe vor in meiner kommenden Dissertation zur Wahrnehmung der Bedeutung von Gewalt in Computer- und Videospielen hier in Graz, Österreich, ein ganzes Kapitel diesr Veranstaltung mit Herrn Fromm einzuräumen.
    Es war eindeutig und offensichtlich, anders funktionieren dessen affirmative Interpretationen von Computer- und Videospielen auch gar nicht funktionieren, dass er jedwede Auseinandersetzung mit Krieg und Gewalt in deren eigener Ästhetik für inakzeptabel hält.
    Das geht eben soweit, dass sogar eine historisch völlig korrekte Wiedergabe amerikanischer Propaganda im Zweiten Indochinakrieg als quasi “unmöglich” betrachtet wird.
    Oder die Absenz der Beschreibung von Kriegsverbrechen in Vietnam beim betreffenden, ab 16 Jahren von der USK Freigegebenen tschechischen Shooter “Vietcong” kritisiert wird, während ein “Men of Valor”, welches in der unzensierten Fassung gerade auch wegen derer Integration am Index landete, gar nicht erwähnt wird. Welche belanglosen Themen und sauberen Inhalte sind es eigentlich, mit denen sich Computer- und Videospiele seiner Meinung nach alles beschäftigen dürfen?
    Computer- und Videospiele haben in Deutschland von Gesetz wegen schon keine Sozialadäquanz, und die Positionen von Herrn Fromm übertreiben diesen Zustand sozusagen noch – inklusive Unterstellungen einer rechtsextremen Ideologie gegenüber Menschen wie mir, welche aufgrund ihrer Behinderung während der Herrschaft des Nationalsozialismus noch industriell vernichtet worden wären.

    Aus schlecht geschriebenen Handbüchern, zum Teil gerade wegen herrschender Selbstzensur übel übersetzten Spielen, und geschmackloser Werbung zu zitieren, ist übrigens auch eine Sache bei der Schwester von Christian Pfeiffer und deren Touren durch deutsche Schulen.

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