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Sustainable IT #13: Nachhaltigkeit von Software

14.00 Uhr: Panel “Nachhaltigkeit von Software”

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v.l.n.r. Marcus M. Dapp, Andrea Goetzke, Balthas Seibold, Matthias Kirscher

Es scheint auf dem Panel eine leichte Heiterkeit über die derzeit recht geringfügige Publikum im Saal zu herrschen. Nichtsdestotrotz wird tapfer mit drei Eröffnungsvorträgen hingelegt.

Zunächst referiert Marcus M. Dapp “Digitale Nachhaltigkeit” bzw. “Was heißt Nachhaltigkeit, wenn die Ressource digital ist?”

Ein paar Wirtschaftsmodelle werden nebeneinander gestellt. Zuerst die Tragödie der Allmende. Gemeinsame unkontrollierte Nutzung natürlicher Ressourcen, die physisch und damit zwangsläufig knapp sind. Er zitiert Michael Heller (ob ich mit dem verwandt bin?): “Die Tragödie ist, dass rationale Individuen, die isoliert agieren, knappe Ressourcen gemeinsam übernutzen können.” Klar, jeder möchte natürlich für sich einen möglichst großen Batzen haben, es ist kurzfristig egoistisch logisch, dass man eher über- als unternutzt, was ungestraft ausgebeutet werden kann. Was sind unter diesen Bedingungen nachhaltige Gegenkonzepte? Man kann bei nachwachsenden Ressourcen einen zur Regeneration notwendigen Grundbestand bestehen lassen und vom nachwachsenden Überschuss, den Zinsen, leben. Oder man kann bei nicht nachwachsenden Ressourcen sich zumindest insofern “fair” gegenüber kommenden Generationen verhalten, dass man nicht mehr als ein Notwendigstes für sich an Ressourcen ausbeutet.

Aber wir sind ja nun in der Wissensgesellschaft angekommen. Und da Wissen immateriell ist (und in seiner digitalen Form auch kostenlos und verlustfrei und sofort kopierbar und an alle Welt verteilbar), muss das Wirtschaftsmodell anders aussehen. Die Nutzung von Wissen ist als Gebrauch, nicht als Verbrauch zu bezeichnen, denn es wird ja nicht verkleinert, wenn man es benutzt oder verteilt. Es gibt keine “Knappheit”, sondern nur eine “Fülle” des Wissens. Der Markt hat ein Problem mit Gütern, wenn sie nicht knapp sind, also muss künstliche Knappheit an Wissen geschaffen werden, wenn es marktfähig werden soll. Das geschieht über Urheberrechte, Patente usw.

So sah das alte Paradigma der Wissens-Erzeugung aus: Innovation wurde zentral produziert, von Firmen über Investments, in einer Top-Down-Organisation, unter einem Management und für Geld-Anreize wie “zeitlich limitierte Monopolrechte”. Anders sieht das neue Paradigma der Wissens-Erzeugung aus: Innovation wird dezentral und selbstorganisiert produziert und finanziert, in peer communities und für vielfältige Anreize, die nicht unbedingt monetär sein müssen, sondern zum Beispiel auch “Lernen, Reputation, Spaß” sein können.

In der Wissens-Wirtschaft gibt es derzeit die Tragödie der Antiallmende. Das Problem ist nicht, dass die Ressource Wissen durch Übernutzung verschwindet, wenn alle darauf zugreifen, daran teilhaben. Umgekehrt: Dadurch, dass es keine zentrale-globale Zügelung von Besitzansprüchen gibt, steckt jeder (im Geiste der alten Wissens-Wirtschaft) mit Besitzansprüchen seine eigenen Interessenbereiche ab, die sich am Ende vielfältig überschneiden. Ganze Bereiche können so durch gegenseitigen Ausschluss nicht mehr produktiv genutzt oder weiterentwickelt werden. “Die Tragödie ist, dass rationale Individuen, die isoliert agieren, reichliche Ressourcen im Vergleich zu einem sozialen Optimum, gemeinsam unternutzen können.”

So entsteht die Gefahr, “dass wir nicht alles aus diesem Wissen heraus nehmen und für die Gesellschaft einsetzen können” im Sinne der neuen Wissens-Wirtschaft. Optimal für die Gesellschaft wäre eine maximale Verwendbarkeit der Ressourcen durch maximale Teilhabe der Menschheit an ihnen, “mit anderen Worten: uneingeschränkter Zugang für alle.” Dem stehen die gegenwärtigen Geschäftsmodelle der Wissens-/Kulturindustrien entgegen, die entsprechend dem alten Paradigma mittels Urheberrechtsklagen, DRM usw. die Ressource Wissen abriegeln und unternutzen. Da dieses Geschäftsmodell das Potential der Ressource Wissen abwürgt und der Zukunft vorenthält, ist es nicht nachhaltig.

Die Frage, freilich: “Wie können digital nachhaltige (neue) Geschäftsmodelle aussehen?”

Als nächstes referiert Mathias Kirscher von der Free Software Foundation Europe “Die Macht der Software”.

Er listet ein paar Instrumente zur gesellschaftlichen Steuerung auf: Recht. Soziale Normen. Markt. Architektur. Architektur? Ja, auch Architektur steuert Menschen. Besser noch: “Architektur steuert ohne direktes Einwirken anderer Akteure und ohne Kenntnis ihrer Funktionsweise.” Er verweist auf die Umgestaltung Paris’ unter Napoleon III. Wie aus einer Struktur verwinkelter, enger Gassen, in denen das Volk bei Aufständen durch Barrikadenbau ganz schnell ganze Bereiche unter seine Kontrolle bringen konnte, während die Armee Schwierigkeiten hatte, sich irgendwo durchzuwuseln, eine Stadt breiter Boulevards und redudanter Seitenstraßen wurde, in der sich kein Aufstand mehr vor der Armee abriegeln konnte. Architektur ist politisch.

Und was ist heutzutage eine besonders einflussreiche Architektur? Software. Software kann mich, ohne dass ich ihre Funktionsweise kennen muss, steuern, einschränken, regulieren. Software ist in gewisser Weise eine noch viel potentere Architektur als die aus Holz und Stein: Software braucht gar keinen Regeln folgen als denen ihres Programmierers, keiner Physik, keinem Naturgesetz, keiner Statik. Man kann keine Regeln, keine Funktionsweise voraussetzen. Ohne Einblick in die Software weiß man tatsächlich nicht, wie sie funktioniert und einen kontrolliert.

Daher als emanzipatives Gegenkonzept das der Freien Software mit offengelegtem Quellcode. “Freiheit” der Software als Schutz vor den oben skizzierten Gefahren. Vier Freiheiten nach Richard Stallman anno 1989: Freiheit der unbegrenzten Nutzung zu jedem Zweck. Freiheit des Studiums und der Anpassung an eigene Bedürfnisse. Freiheit der Weitergabe. Freiheit der Weitergabe von Modifikationen. Drei Lizenzmodelle: “stark”, “schwach” und “nicht schützend”.

Nachhaltigkeit von Freier Software liegt dort, wo ihr Lizenzschutz stark ist. Wo sie Quellcode davor schützt, wieder unfrei gemacht zu werden (ich denk mir, das passt natürlich gut als Gegenstrategie zur vom Vorredner skizzierten “Tragödie der Antiallmende”). Weiterverwendbarkeit und Weiterentwickelbarkeit sind für die Zukunft gesichert. Monopolismus wird verhindert, weil der Quellcode niemandem in einer den Rest der Welt an Teilhabe ausschließenden Weise gehört. Die Anpassbarkeit der Software erzeugt eine Anpassung der Software an den Menschen, anstatt einer Anpassung des Menschen an die Software. Ermöglicht es, die Funktionsweise der Architektur nachzuvollziehen, zu verstehen.

Schließlich referiert Balthas Seibold “Nachhaltige Software für Nachhaltige Entwicklung”.

Er zeigt einen OpenOffice-Screenshot in einem sonderbaren Zeichensystem und fragt, ob irgendjemand im Raum Khmer spreche.

Sieht eher nicht so aus.

Seibold arbeitet für InWEnt, ein “Nachhaltigkeitsunternehmen für Internationale Weiterbildung und Entwicklung”. Man möchte in fernen Ländern über Wissensvermittlung einen “Beitrag zu einer gerechteren Globalisierung” leisten. Man möchte vor allem die vier Punkte “kontinuierlich lernen”, “Umwelt schützen”, “sozial agieren” & “erfolgreich wirtschaften” dabei unter ein Dach bringen. Hamse sich ja janz schön was vorjenommen.

So engagiert man sich etwa ein einer Free-and-Open-Source-Software-Initiative in Südostasien, Kambodscha, Philippinen usw. Freie Software erlaubt zum Beispiel eine Lokalisierung, die sich (das haben wir ja auch schon von Andrea Goetzke gehört) für die Unternehmen hinter proprietärer Software aufgrund der Kleinheit der Märkte z.B. in Kambodscha eher nicht lohnt. Und in einem Land, in dem 80% der Bevölkerung kein Englisch sprechen, kann eine Übersetzung der Software in Khmer schon Einiges bedeuten. “Lokalisierung als Empowerment”.

Er schreibt als Ziel an die Wand: “Gleichberechtigten Zugang aller zu Wissen als eine strategische Entwicklungsressource schaffen” und denkt über “Software als globales öffentliches Gut?” nach. Nachhaltiges Wirtschaften erfordert “legale, erschwingliche Software”, um “lokale Geschäftsmodelle [zu] ermöglichen.”

Diskussion

Ein Einwurf aus dem Publikum: Konzentriere man sich bei InWEnt nicht etwas zu sehr auf das Fördern wirtschaftlicher Entwicklung in Südostasien und vernachlässige dabei die ökologische Nachhaltigkeit? Natürlich, wendet Seibold ein, konzentriere er sich hier in seiner Darstellung auf den IT-Aspekt der Arbeit von InWEnt. Die hat natürgemäß nicht ganz soviel direkt mit ökologischen Fragen zu tun. Aber immerhin ein Beispiel der Förderung ökologischer Nachhaltigkeit durch die FOSS-Initiative fällt ihm ein: Mit Freier Software lassen sich diverse meist eher alte Rechner vor Ort noch sehr wohl betreiben, die ansonsten weggeworfen werden müssten.

Dapp warnt davor, IT-Förderung in Entwicklungsländern eine niedrige Priorität in der Entwicklungsarbeit einzuräumen. Man muss “im 21. Jahrhundert anfangen, Software nicht mehr als zusätzliches Instrument betrachten, das manche Leute für die Arbeit brauchen”, sondern als eine allgegenwärtige Kulturtechnik, auf die alle einen Anspruch haben, so wie ihre Bedeutung in der Welt von heute zugenommen hat. Diese Prioritätensetzung schafft natürlich immense zu erfüllende Voraussetzungen, Hardware, Netzwerke, Software. Aber diese Infrastruktur sollte voraussetzungslos zur Verfügung gestellt werden. Ein Grundstock von Software zum Beispiel kann inzwischen als genauso infrastrukturell grundlegend betrachtet werden wie z.B. Brücken.

Ein Einwurf möchte eine Differenzierung des Konferenzbegriffes in “Sustainable IT” und “Sustainability IT”, was ja nicht unbedingt beides das gleiche ist. (Das eine ist IT, die in sich selbst den Anforderungen an Nachhaltigkeit genügend funktioniert, das andere ist IT, die Nachhaltigkeit außerhalb ihrer selbst schaffen kann, zum Beispiel, indem sie effizientere Organisation von Produktionsprozessen, Vermeidung unnötiger Rohstoffverschwendung usw. durch ihre Arbeit fördert.) Ich denk mir für mich: Genau das ist ja wohl der Grund für den komischen Strich im Konferenztitel, “Sustainable-IT”, das möchte wohl sowohl als “Sustainable IT” als auch als “Sustainabl-I-Ty” (arger Zungenbrecher) ausgesprochen werden.

Zum Ende gleitet die Diskussion ganz in Open-Source-Advocacy ab. Dapp ist sich unsicher, ob ein nachhaltiger Wandelprozess innerhalb der ‘alten’ IT-Industrie hin zu Free and Open Source Software möglich sei, oder ob da nicht einfach einige Bereiche untergehen müssten. Und Kirscher fährt nochmal zu einem allgemeinen feurigen Plädoyer auf für alles, was an Freier Software gut ist; dass sie Dezentralisierung fördert, Monopole verhindert und vor allem eine Erneuerung des Bildungssystems im Umgang mit Software erlaubt — hin zu einem richtigen Verständnis, wie Software technisch funktioniert (was, wir erinnern uns, die Software dem Menschen anpassbar macht), weg von einem “Ich lern Produkte” (was, wir erinnern uns, die Menschen der Software anpasst).

Thursday October 18, 2007

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