Futuristische und utopische Notizen von Christian Heller a.k.a. plomlompom.
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22:30 Uhr: Berlin Bunny Lecture “Economy” (über die Zukunft des Arbeitens und so)
Von links nach rechts: Bunnygraph, Bunny-Helfer, Gewerkschafterin Veronika Mirschel, Hilfscheckerbunny, Supatopcheckerbunny, Schriftsteller Peter Glaser.
Ich war ja immer ein Fan der Supatopcheckerbunny-Cartoons aus der Titanic. Ich habe erst recht spät mitbekommen, dass es dazu auch ein Realwelts-Äquivalent gibt. Seitdem war ich ganz versessen darauf, mal eine der Berliner Bunny Lectures vom Supatopcheckerbunny mit seinem Hilfscheckerbunny zu sehen, und hab’s doch irgendwie nie zustande gebracht. Also freue ich mich, auf dem 9to5 nun doch nochmal eine Gelegenheit dazu zu erhalten.
Den Realwelts-Bunny-Modus habe ich im Voraus über ein paar YouTube-Clips studiert und muss leider sagen, dass mich diese Performance hier jetzt eher nur halb oder dreiviertel so sehr rockt, wie ich erhofft hatte. Immerhin, die Stuppsereien zwischen Supatopcheckerbunny und dem Hilfscheckerbunny sind sehr charming. Man lernt auch, im Gespräch mit der ver.di-Frau Veronika Mirschel, ein wenig über die Ausdifferenzierung von Duz-/Siez-Kulturen im Gewerkschaftsmilieu, und Peter Glaser erzählt vom verwirrenden Status seiner geistigen, realen, nicht-realen, in der Liste aufgeführten oder nicht aufgeführten Mitgliedschaft im Chaos Computer Club. Auch der allerdings noch im Werden befindliche Bunnygraph sieht eigentlich ganz vielversprechend aus.
“Creative Work”
Kirsten Brühl und Imke Keicher zukunftsinstituteln über “Creative Work”.
Das von mir erhoffte Irritationspotential kommt dann irritierenderweise nicht durch die Bunnyrei, sondern durch den Einschub eines kleinen und sehr powerpointigen Vortrags zweier Damen von einem “Zukunftsinstitut”.
Sie geben einen kleinen Schnupperkurs darin, wie die, sagenwirmal, Paradigmenwechsel in Prozessen kreativen Arbeitens, von dem diese Konferenz unter anderem handeln mag, in den Chefetagen der alten Unternehmenskultur reflektiert werden mögen. Wir gelangen also von einer Übersetzung aus dem ZIA-Kulturwissenschaftlersprech in Bunnysprech zu einer Übersetzung von Bunnysprech in Corporate-Sprech.
Ich bin mir nicht sicher, wieviel dabei “lost in translation” geht. So falsch mag das inhaltlich alles gar nicht sein, nur die verwendeten Formulierungen lassen gewiss so manchen Mageninhalt im Publikum hochkommen. Aus der Freiheit, das individualisierte Was-ich-will zu tun, wird der “Erfolgsfaktor Uniquability” der “Möglichkeitsräume” einer künftigen “Creative-Work”-Arbeitsgesellschaft des Jahres 2015, die der “Wissensgesellschaft” des Jahres 1980 und dem “Organization Man” des Jahres 1950 nachfolgt.
Brühl und Keicher erzählen vom Erwachsen eines “Mindset[s]” in der Unternehmenskultur, dass Spielen und, ja, vor allem auch fehlerbehaftetes, Experimentieren voll produktiv seien. Oki. Aber wir wollen ja keine fröhlicheren Unternehmensangestellten werden, hier, wir wollen freiberufeln und selbständeln, macht ein Einwurf aus dem Publikum klar, der nach der Nützlichkeit des diagnostizierten Mindset-Wandels bei den Unternehmen für, nunja, die Hiesigen fragt.
Fortsetzung Bunny Lecture: Ausreden, Science Fiction und Bildtelephonie, Arbeitsprinzipien der Faulheit, Blasendruck
In der Zwischenzeit hat sich der Bunnygraph entlang der Achsen “Reich der Freiheit – Reich der Notwendigkeit” und “Reich des Reichtums – Arm der Armut” gefüllt. Der Glückliche im Reich der Freiheit und des Reichtums: der von den Zukunftsinstitutsdamen eingeführte “Origami-Experte”, der aus seinem extrem vernischten Spezialinteresse ein Erfolgsgeschäft gemacht hat. Der Glückliche im Reich der Freiheit und der Armut: der Mönch. Der Unglückliche im Reich der Notwendigkeit und des Reichtums: der von seiner Tätigkeit unbefriedigte “Organization Man” in der grauen Chefetage. Der Unglücklcihe im Reich der Notwendigkeit und der Armut: der … Abfüller? In der neuen Projektarbeitswelt: “3 Monate im Jahr project work als Abfüller, das ist natürlich bitter.”
Dann lesen die Bunnies ein paar in den Anforderungen des Arbeitslebens gut gebrauchbare Ausreden fürs Nichterbringen einer Leistung oder eines Erscheinens vor, von der ich nur eine mir zu notieren schaffe: “In der Nachbarwohnung hat jemand geweint.”
Nun bekommt endlich der große Peter Glaser breiten Raum zum Reden.
Er erklärt, warum er die Technologie des Bildtelephons so liebe. Das Bildtelephon, notwendige Ingredienz jedes Science-Fiction-Universums, sei eine längst realisierte Zukunftstechnologie, realisiert seit den 30er Jahren schon (Nazideutschland), voll durchentwickelt, die sich nur aus einem Grund nicht längst breit etabliert habe: Weil. Sie. Niemand. Haben. Will. Bildtelephonie ist auch ein ganz nützliches Instrument für Liberalisierung von Arbeitsrhythmen: Glaser erzählt, dass er, im Verlassen auf die niedrige Auflösung des Bildes, schonmal bei der Anfrage nach dem Fertigwerden eines Textes zur Deadline einfach ein mit irgendwas beschriebenes Textblatt ins Bild halten könne als Versicherung der Fertigstellung eines Textes, den er natürlich noch gar nicht fertig gestellt hat. Das Hilfscheckerbunny fügt noch hinzu, dass Bildtelephonie das Freiberuflertum stärken könne, wenn es zeige, dass man zuhause gerade Arbeit verrichte.
Als nächstes stellt Glaser sein “Katzensolarium” (siehe obiges Bild) vor. Er hat vier Katzen und infolge auch vier solche Katzensolarien. Er macht das im Bild vermittelte Ideal als Differenz stark zu der “Effizienzwelt”, die die beiden Damen vom Zukunftsinstitut eben in ihrem Vortrag vermittelt hätten, da klaffen die Digitale Bohème und die dort vertretene Unternehemskultur dann wohl doch noch etwas auseinander.
Er spricht auch von der Dreifaltigkeit des Freiberuflers, der Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Gewerkschaft in sich internalisiere. Nichtsdestotrotz findet er das organisierte Gewerkschaftswesen, für das Veronika Mirschel steht, notwendig. Man hat in den Dotcomblasen-Jahren ja gesehen, was das Austauschen von Gewerkschaftsschutz durch Aktienoptionen bringen mag. Man ist sich einig, traditionelles Gewerkschaftswesen mag mit einer Kultur der Selbständigen auf den ersten Blick nicht ganz zusammenpassen, könne diesen aber sehr wertvolle Hilfestellungen in Vernetzung, Beratung und Information bieten.
Glaser stellt noch ein paar seiner Arbeitsprinzipien vor: das Elvis-Presley-Prinzip, “Now or Never”, etwas jetzt tun/arbeiten oder nie. Einen Ordner anlegen mit der Beschriftung “später bearbeiten”, “morgen machen”, das fruchtet nicht, die Dinger wachsen zu monströsen Dimensionen an, werden Büchsen der Pandora, die man besser nicht öffne, sondern einfach nur lösche.
Er empfiehlt auch bewusst eingesetzte Ignoranz. Ignoranz als Mittel gegen die Zumutungen der Informationsgesellschaft, man darf sich nicht von Entscheidungsunfähigkeit überfluten lassen. Er schwärmt auch von Einfachheit. Der Einfachheit der Musik von Kraftwerk zum Beispiel. “Ich brauch nur einen Zettel, einen Stift und mich”, meint er. Komplexitäts-Ausweichung?
“Ich regle das immer über Faulheit”, wirft das Hilfscheckerbunny ein, und Glaser stimmt zu, Faulheit ist groß, “Faulheit ist eine immense und unterschätzte Macht.” Er mag es, wie Technologie auch Bilder von Faulheit produziere, die Raumfahrt, aus der jenes Astronauten-Foto stamme, das eigentlich zelebrieren möchte, dass dieser Astronaut als erster ohne Kabelverbindung mit dem Mutterschiff in der Leere des Alls schwebe, aber eigentlich den visuellen Eindruck hervorrufe, dass da, bedingt durch die Klobigkeit des Raumanzuges (Robert Zubrin, erinnere ich mich, spricht in “The Case for Mars” von so manchem monströsem Raumanzug geradezu als eigenem Raumschiff), dass da jemand gemütlich im Weltraum schwebend in seinem Sessel schlummere.
Veronika Mirschel kann nicht mehr. Sie informiert den Saal darüber, dass sie auf Klo muss.
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