Futuristische und utopische Notizen von Christian Heller a.k.a. plomlompom.
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20.30 Uhr: Larry Lessig macht Werbung für Becks
Hilfe, neben mir sitzt ein GNU!
Hat sich einfach neben mich gesetzt. Was sollte ich da machen.
Copyrightreform-Anwalt Lawrence Lessig zieht eine ordentliche Multimedia-Show ab. Erst mal beginnt er mit diversen tollen Videoclips der Remix-Kultur: Anime-Musikvideos; sinnentstellende Kino-Trailer-Umschnitte (Zurück in die Zukunft III als Brockeback-Mountain-Plagiat (und da fällt mir ein, dass der hier als Dr. Emmett Brown auftretende Christopher Doyle in The West Wing wiederum eben den Lawrence Lessig verkörperte, der hier gerade den Vortrag hält)); und natürlich politische Mash-Ups, allesamt tolle ideologische crowd-pleaser. Insgesamt gewiss ein Block von zehn Minuten, der Lessig hat wohl nicht soviel selbst zu reden?
Aber als er dann redet; nun, wie gesagt, Multimedia-Show. Jedes Wort ein Slide. Ein-Wort-Slides. Oder Bilder. Sekundenbruchteil-Slides; wechselnde Farbkontraste; solide Ablenkung von seinen doch eigentlich durch die Bild-Ebene von der Intention her gedoppelten Redeinhalten.
Aber zum Inhalt; Jaja, die Mittel kultureller Produktion sind demokratisiert, wir leben in einer Remix-Kultur, das erwartbare Trallalla; neue Form der literacy für das 21. Jahrhundert …
Ah, jetzt läuft etwas, das sieht beinahe aus wie ein Peter-Tscherkassky-Experimentalfilm. Aber das kann er nicht meinen. Das wäre ja nicht digital.
Jedenfalls … Diese tolle Remix-Kultur gerät natürlich mit der Jurisdiktion aneinander. Es gäbe zwar in den USA “fair use”, aber das sei so nicht-mehr-brauchbar; abzuschätzen, ab wann es zutreffe oder nicht, sei einem normalen Menschen doch nicht mehr möglich. Ab wann sei in der Sowjetunion eigentlich der Punkt gekommen, da der Glaube, das System funktioniere noch, nur noch als Wahn begreifbar gewesen sei? stellt er in Parallelziehung zum gegenwärtigen Rechtssystem in Bezug auf die kulturelle Realität. Am Ende werde entweder kulturelle Produktion empfindlich eingeschränkt oder in die Illegalität gehen.
Jedenfalls, was tun? Wie die Probleme beheben?
Erstmal, was nicht funktioniere: Hacker- / Technologie-Spielereien, um das System anzugreifen … der Feind sei zu brutalen irrationalen Reaktionen fähig. Der Amerikaner würde notfalls auch noch den irrationalsten Krieg wagen, weiß man ja aus Erfahrung. Ebensowenig solle man auf kurzfristige (im Sinne von: unter 20 Jahren) Entwicklungen in der Legislation hoffen … Hey, selbst die Democratic Party, die uns am nächsten stehen dürfte, versteht uns nicht in unserer Position!
Und was auch nichts helfe, wäre, sich durchzuklagen. Er selbst sei ja gegen Sonny-Bono am Supreme Court gescheitert. Nein, man solle nicht versuchen, an die Gerichte zu appellieren, sondern die hundreds of million of people müsse man von der rightness of our opinion überzeugen.
Also was könnte denn nun helfen? Etablierung einer attraktiven Gegenkultur, die von der Öffentlichkeit adaptiert würde, um sozusagen die bösen Alten auszustechen. Und wie? Creative Commons; überwältigender Erfolg in den letzten Jahren …
Aber jetzt nimmt er erst einmal einen Schluck aus der Becks-Flasche, die er die ganze Zeit schon mit der einen Hand demonstrativ rumschwingen lässt.
Der Rest ist eine fröhliche Verteidigung des bunten Lizenzbaukastens. Lessig fühlt sich besonders genötigt, die Non-Commercial-Option vor dem Hackerhaufen zu verteidigen. Die sei nämlich voll kontrovers. Finde ich ja nicht. Aber ich bin wohl auch nicht das Zielpublikum.
Ach ja, früher hätten wir in einer Read-Write-Culture gelebt, wo Kultur von ihren Empfängern produktiv / kreativ angeeignet wurde; dann wurde sie leider zu einer Read-Only-Culture, nur noch passives Konsumieren; und wir hätten nun das Potential vor uns, im 21. Jahrhundert alles wieder zur Read-Write-Culture zurückzuwenden.
Am Ende wittert er Zwist in “unseren” Reihen zwischen Leuten wie ihm, die das Copyright primär reformieren würden wollen, und den ganzen Radikalen, die es abzuschaffen suchten. Er ruft die Reihen nun dazu auf, sich über diesen Konflikt nicht kontraproduktiv die Köpfe einzuhauen; das sind Fragen, die man seiner Meinung nach nach hinten verscheiben kann. Lasst uns unsere Differenzen quietly diskutieren, am besten in einem entspannten Umfeld mit Substanzen wie dieser … spricht’s, und erhebt glorreich die Becks-Flasche.
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Ich wollt mir nicht den Vortrag von Lawrence Lessig entgehen lassen ;)
lg, Alex
P.S. http://www.boingboing.net/2006/09/04/gnu_costume_for_free.html und http://lix.cc/gallery/main.php?g2_itemId=7576
Alex: Sehr. Geil. ;-)
Das Noncommercial-Verteidigen zielte wohl primär auf den BSD/GPL-Gegensatz ab, naja.
Was mich wunderte war, dass er meinte, man könne irgendwann das Copyright komplett abschaffen und CC sei eine Zwischenstufe dahin usw. Dabei ist das Copyright enorm wichtig für all die freien Noncommercial-Lizenzen wie die GPL, denn gäbe es kein Copyright, könnten Firmen sich einfach all die freie Software unter den Nagel reissen und verkaufen…
Und genau in dem Punkt kann man die “Leecher”, die einfach nur alles kostenlos runterladen wollen, von den “Free *”-Leuten unterscheiden, denn erstere wollen das Copyright abschaffen, letztere nicht weil es eben nicht nur böse ist sondern auch freie Software schützt.
Naja, er wollte ja auch eher das Copyright reformieren als es abzuschaffen, das bemühte er ja, als seine Position gegenüber “Radikaleren” festzulegen … Davon abgesehen, könnte auch eine Leecher-Kultur noch Nutzen für Urheberrechte (um mal jetzt einen anderen Begriff als “Copyright” zu verwenden) finden; gerade mit Creative Commons kann man es ja den Leechern recht machen (darfst unter Namensnennung beliebig non-kommerziell weiterverteilen), ohne kommerzielle Verwertungsrechte am eigenen Schaffen gleich mit ab zu treten.