Futuristische und utopische Notizen von Christian Heller a.k.a. plomlompom.
Themen-Einstiege
Berichte, Lektüren
24c3 #22: geschlechtspolitisches Sich-um-Kopf-und-Kragen-Reden (2)
Günter Komoll, egal
Antisozialdemokratische Utopie Grundeinkommen (7)
Martin Werner, Philipp, Klaus Gieg, ...
Afrikas größter Exportschlager: die Supercomputerisierung der Erde (3)
Christian, Christian, sunny
Englisch
Deutsch
Für alle von mir verfassten Texte auf dieser Seite gilt folgende Lizenz:
[hier war mal ein Amazon.de-Affiliate-Banner, heute aber nicht mehr; frühere Amazon.de-Affiliate-Links im Blog sind nun nur noch unaffiliierte Amazon.de-Links]
(hier war mal AdSense-Werbung, heute aber nicht mehr)
[Bloggen von der Web 2.0 Expo Europe]
14.35: Electricity 2.0: Using the Lessons of the Web to Improve Our Energy Networks / Tom Raftery
Während die Kommunikationsinfrastruktur sich vom Telegraphenmast bis zum dezentralen Internet ziemlich gewandelt hat, ist das Stromnetz immer noch aufgebaut wie zur Zeit von Thomas Edison: Elektrizität 1.0 = top-down hierarchisiert, isolierte Local-Area-Networks, ohne eingebaute oder selbstorganisatorische Intelligenz, skulpturiert für einfach vorhersagbare Muster von Energieverbrauch und statische Energie-Erzeugungs-Raten. Nicht mehr gewachsen etwa den Anforderungen erneuerbarer Energien, die meist unregelmäßigen/instabilen Energie-Nachschub bedeuten, mit unpassenden Engpässen wie unpassenden Überschüssen. Dagegen schlägt Raftery Neustrukturierungen der Stromverteilung entlang Verteilungskonzepten des Internets vor.
Raftery konkretisiert das Problem der wechselhafteren Stromerzeugung bei erneuerbaren Energien anhand von Windfarmen: Die produzieren zuweilen das Meiste an Energie, wenn am wenigsten gebraucht wird. Das Problem ist nicht mal so sehr, dass es Zeiten gibt, wo sie keine Energie erzeugen, sondern viel mehr, dass man nicht weiß, wohin ihre überschüssige Energie soll, wenn das Stromnetz bereits ausgelastet ist. Also kappt man sie bei niedriger Nachfrage einfach ganz von dem Stromnetz, das sie sonst überlasten würden. Ihre Brauchbarkeit als alternative Energieform wird ironischerweise dadurch eingeschränkt, dass sie zuweilen zu effektiv sind.
Lösung für sowas wäre vielleicht das Speichern der überschüssigen Energie, aber dafür gibt es in großem Maßstab noch keine allzu brauchbaren Lösungen (irgendwas mit Wasser vielleicht mal). Anderer Weg: Ein “Supergrid”, ein Super-Stromnetz, das nicht mehr isoliert funktioniert, sondern verbunden mit den übrigen Stromnetzen der Nachbarschaft/der Nachbarländer/des Planeten, sollte aufgrund seiner Größe Überschüsse und Engpässe weitaus gleichmäßiger verteilen können, über verschiedene Zeit- und Klimazonen hinweg.
Weiterer Weg: Die immerwährende Fluktuation des Energiewerts (als Produkt von Angebot und Nachfrage) über den Tagesverlauf hinweg direkt an die Verbraucher in Form von immerwährend fluktuierenden Energiepreisen weitergeben, anstatt wie jetzt nur Pauschalpreise zu verlangen, wo jedes Bisschen Strom gleich viel kostet, egal wann. Kurz, “make energy a real-time market place”, das würde die Extrema in Energieverbrauchskurven, Engpässen und Überschüssen von sich aus einflachen — ich als Verbraucher hätte einen Anreiz, meinen Strom zu ziehen, wenn er gerade billig (= Überschuss droht) (und mich dabei selbst um die Frage der Stromzwischenspeicherung z.B. in Batterien, Wärme o.ä. zu kümmern), und ihn zu sparen, wenn er gerade teuer (= Engpass droht) ist. Im Falle extremen Stromüberschusses könnten die Verbraucher sogar Geld zurückbekommen dafür, dass sie das Netz durch Stromverbrauch entlasten. Auf diese Weise würden Instabilitäten aufgefangen, erneuerbare Energien könnten in höherem Maße vom Stromnetz getragen werden, CO²-Fußabdruck verringert sich, alle sind happy. Raftery spinnt seine Gedanken weiter z.B. in Richtung von Geräten, die selbständig ihren Energieverbrauch entlang der Energiepreise regulieren.
Er denkt das Konzept noch weiter, kommt zum “The Read/Write Grid”: Wer irgendwie selbst Strom bei sich erzeugt, z.B. über ein Solarstromdach, könnte den in dieses intelligente Stromnetz zurückgeben und würde so auch eher Geld verdienen als zu bezahlen. Peer-to-peer Power. Oder man denke nur an Batterie-betriebene Autos, die beim Stillstehen ihren Strom in eine “distributed battery bank” für ein ganzes Land voller Hybrid-Autos ausfließen lassen würden und dann bei Bedarf wieder zurück bezögen.
“We’re going to become prosumers — consumers and producers of electricity.” Anreize für Energieeffizienz und Energieerzeugung dem Verbraucher öffnen, ihm ein größeres Mess- und Steuerungsinteresse gegenüber der Energiebilanz einräumen, das nicht auf schlechtem Gewissen und Rationierung, sondern an einer marktwirtschaftlichen Teilnahme an einem dynamischen System fußt. Führt dann auch zu Spielereien wie dieser hier, wo jemand die Energiedynamik seines Hauses sich zutwittern lässt, mit Nachrichten über unerwartete Höhen oder Tiefen in der Bilanz usw.:
Frage aus dem Publikum: Könnte man Energie-Überschuss nicht für so Unterfangen wie das künstliche Abkühlen der Erde nutzen? Raftery fügt als mögliches weiteres Unterfangen das Absaugen von CO² aus der Luft bei. Theoretisch sicher, praktisch würde das aber daran scheitern, dass es keinen direkten ökonomischen Anreiz dafür gebe. Glaubt, dass es notwendig ist, ökonomische Anreize für die Nachhaltigkeitstaktiken zu schaffen, um die Wirtschaft auf deren Weg zu bringen.
Übrigens, so überraschend das einem auch vorkomme, Plasteflaschen solle man Glasflaschen vorziehen, denn Plasteflaschen seien insgesamt kohlenstofffreundlicher. Sagt der Redner und hält dabei reumütig seine Glasflasche hoch.
(So, und mehr hab ich nicht mehr im Queue. Hier endet die diesjährige Web 2.0 Expo Europe für mich. Zu kaputt, mir den letzten Slot noch zu geben. Uff.)
Kommentarfunktion für diesen Artikel geschlossen.