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Kritische Zukunftsprophetie

Navigator fragt in den Kommentaren:

Die Vergangenheit ist voll von vergangener Zukunft. Euphorische oder distopische Einschätzungen zukünftiger Entwicklungen trafen selten ins schwarze. Warum sollte dies heute anders sein?

Der Einwurf kam mir grade recht, nachdem ich staunend (via Gernot/Twitter) das hier gelesen hatte, einen Artikel aus dem Ladies’ Home Journal von 1900, der eine beträchtliche Breite an Zukunftsvoraussagen über “What May Happen In The Next Hundred Years” macht und dabei in beträchtlicher Breite ins Schwarze oder zumindest ins ziemlich dunkle Graue trifft:

Es gibt auch einige Voraussagen aus dem Text, die nicht eingetroffen sind: Ich erhalte meine Nahrungsmittel nach Bestellung nicht via pneumatischer Röhren, Mücken und Ratten sind nicht ausgerottet, und apfelgroße Erdbeeren sind kein Verkaufshit der Gegenwart. Aber selbst diese Voraussagen erscheinen in ihrer Differenz zur Gegenwart nicht allzu peinlich, denn: Ihre Durchführung wäre technisch möglich. (Naja, bei der Ausrottung von Mücken und Ratten bin ich mir nicht so sicher.)

All den Voraussagen des Textes wohnt ein solide realistisches Bewusstsein für das, was höchstwahrscheinlich technisch möglich sein wird, inne, das schlimmstenfalls an mancher Stelle noch etwas zu zahm ausfällt. Es werden keine magischen neuen Entdeckungen vorausgesetzt. Stattdessen wird aus gegebenen wissenschaftlichen und technologischen Trends dicht am Bereits-Möglichen in die Zukunft extrapoliert. Das ist der entscheidende Unterschied zu Luftschlössern wie Warp-Antrieb und Zeitmaschine.

Die Schätzungen aus dem Ladies’ Home Journal enthalten das ganze 20. Jahrhundert, von den Weltkriegen bis zur Abschlusspointe im Internet. Könnten wir nun heute auf ähnliche Weise eine Zukunftsschätzung für das Jahr 2100 durchführen? Ich denke: Nein, könnten wir nicht.

Wir haben heute eine ganze Menge an wissenschaftlichen und technologischen Trends, die wir linear in ihrer jetzt schon gegebenen Machbarkeit weiterdenken könnten, hin zu durchaus erbaulichen Fortschritten in Medizin, Raumfahrt, Robotik, Computertechnik u.v.m. Es besteht aber ein bedeutender Unterschied zur Ausgangssituation des Jahres 1900: Die damals diagnostizierbaren Trends versprachen viele neue Annehmlichkeiten und erhebliche graduelle Verbesserungen, aber kein Rütteln an den Fundamenten der Lebens, des Geistes und des Universums. Heute dagegen:

Natürlich, an all dem arbeiten wir schon seit Längerem und man hat auch schon früher reingestochert, in Form philosophischen Mutmaßens oder zaghaften Kratzens an den Oberflächen der Natur. Die Bohrtiefen, die Vergrößerungskraft der Mikroskope, die Rechenmaschinen, die wir heute haben, emergieren miteinander aber inzwischen zu einer neuen Stufe bei der Auflösung der Welt in Versteh- und Formbares, die eben die Fundamente von Leben, Geist und Universum an sich tatsächlich angreifbar macht. Kein noch so euphorischer Futurist des Jahres 1900 hätte dies für die ihm nachfolgenden hundert Jahre auf Grundlage der Wissenschaft und Technologie seiner Gegenwart vorauszusagen gewagt. Sich aus den oben genannten Potentialen der Gegenwart ableitende Zukunftsschätzungen müssen gewaltige Erschütterungen der Grundlagen unserer Welt mit einberechnen, die ein lineares Fortdenken des Gestern verbieten. Als Realist wird man sich nicht mehr auf einem business as usual als Zukunftsvoraussage ausruhen können. So entfällt die Erfahrungsbasis, um weiter als mit etwas Glück einige wenige Jahrzehnte vorauszuplanen.

Navigator liegt mit seinen Assoziationen nicht ganz falsch, wenn er weiterhin in seinem Kommentar über die futuristische Idee der Technologischen Singularität schreibt:

Die Idee der Singularität ist letztlich auch eine technologische Eschatologie und zeigt, dass Technologie ohne selbstkritischen Rationalismus pseudoreligiöse Tendenzen entwickelt.

Denn die Anforderungen, die viele Futuristen heute an die Zukunftspotentiale von Wissenschaft und Technologie stellen, hätte man früher nur mystisch-religiös-esoterischen Vorstellungen wie “Gott” oder der “Apokalypse” gegönnt. Der bedeutende Unterschied: Das eine (Wissenschaft und Technologie) existiert und ist überprüf- und kritisierbar, das andere nicht. Und/aber natürlich verdient jede Heilslehre, so wissenschaftlich informiert sie sich auch gibt, eben diese Überprüfung und Kritik.

Allerdings hüte man sich vor dem Umkehrschluss, eine Annahme werde dadurch logisch falsch, dass sie zu einem Ergebnis führt, das sich bisher nur aus falschen Annahmen herleiten ließ.

Sunday March 2, 2008

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Kommentare

  1. Igor / 02. March 2008, 19:24 Uhr

    Das errinert mich irgendwie ein wenig an das, was Cory Doctorow am Freitag bei seiner Lesung in Koeln gesagt hat. Ich kann mich nicht genau an die Frage errinern aber es ging darum, was SciFi-Autoren vorher sehen koennen.

    Er meinte, dass die meisten SciFi-Autoren eigentlich nur die Vergangenheit beschreiben und die meisten guten SciFi-Autoren eigentlich recht froh sein koennen, wenn sie die Gegenwart vorhersagen koennen. Es wuerde oft daran liegen, dass die meisten einfach nicht mit der rasanten Entwicklung der Technik zurecht kommen und deswegen nicht die richtigen Ableitungen aus den Gegebenheiten machen koennen. Statt dessen werden Ableitungen aus Technologien gemacht, die laengst “ueberholt” sind.

    Deswegen finde ich auch diese “Vorhersagung” nicht sonderlich beeindruckend. Sie zeigt einen aeußerst informierten Menschen, der die richtigen Schluesse aus den Gegebenheiten bezieht. Ein Analyst. Ein Wissenschaftler.

  2. siggi / 02. March 2008, 20:32 Uhr

    Das ist genau das Problem: Informiertheit. Ich wundere mich auch immer wieder das selbst Moore – den man ja schon unter Techno-folklore abhaken könnte – sogar bei Entscheidungsträgern nicht bekannt ist.

    Das bischen Informiertheit (Neugier?) hat mir jedenfalls geholfen 1997 bei einem meiner Vorträge über die technologische Singularität einige Vorhersagen zu machen die immer noch so stehen. Manches läuft ja ab wie ein Uhrwerk. Vielleicht kann man nicht die genaue Wolkenformation an einem bestimmten Tag vorhersagen, aber das grundsätzliche Wetter schon.

    Der Eschatologievorwurf ist übrigens n alter Hut in der soziologischen Utopiekritik. Hatte ich auch schon in den Kommentaren. Das ist auch einer der Punkte meines Blogschweigens: Ich langweile mich etwas. ;-)

  3. Navigator / 02. March 2008, 20:42 Uhr

    @Igor —> Du warst auch da? War doch ein bißchen zäh, oder nicht?
    Klickst du hier -> Cory Doctorow auf der lit.Cologne

  4. Igor / 02. March 2008, 22:55 Uhr

    @Navigator: Ich fands recht unterhaltsam eigentlich.

  5. Benni Bärmann / 03. March 2008, 12:01 Uhr

    Dieses ganze Singularitätsding macht IMHO nur Sinn, wenn man es versucht unter ökonomischen Kriterien zu beleuchten. Ich versuche das gerade zu lernen. Einen ersten Versuch gibts hier:http://www.opentheory.org/infokapitalismus/text.phtml

  6. Christian / 03. March 2008, 20:40 Uhr

    @siggi: Das ist auch eine Kunst, sich bei Betrachtung einer Technologischen Singularität gelangweilt zu fühlen ;-)

    @Benni: Das ist ja ein interessantes Diskursformat da bei Open Theory … Auch wenn ich jetzt nicht dazu komme, den konkreten Text durchzuarbeiten, werd ich’s mir später evtl. mal näher angucken. Aber natürlich ergänzen ökonomische Kriterien diese Gedankenwelt ganz gut, sind doch natürliche Auslese der Evolution, der freie Markt und diverse Emergenz-Meme strukturell ziemlich verwandt miteinander.

  7. siggi / 03. March 2008, 21:04 Uhr

    Ganz so snobistisch bin ich nu doch noch nicht. ;-)
    Ich bezog mich nur auf die Mischung aus Uninformiertheit und Pseudokritik mit der man in der Thematik zwangläufig zu tun bekommt. Das nervt irgendwann, wenn man nicht einen dicken Erklärbär verspachtelt hat.

    Ich glaub ich werd den Begriff Singularität einpacken, da er samt aller negativen Nebeneffekte langsam zu poppig wird und mich nur noch um Beschleunigung kümmern. Die Folgen stehen sowieso ausserhalb jeder Betrachtung. Per Definition. So what? Just do it.

  8. Christian / 03. March 2008, 21:27 Uhr

    @siggi: “Beschleunigung” ist auch ein so schön harmloses Wort, mit dem man sich viel ungefährlicher in andere Diskurse einmogeln kann :> Wenn ich versuche, jemandem in einer Plauderei die “Singularität” zu erklären, verhaspele ich mich immer erstmal in dreihundert verschiedenen Begriffsdefinitionen zwischen Mathematik, Graphen-Visualisierung und Schwarzem Loch, eh ich überhaupt zum eigentlichen Punkt komme ;-)

  9. siggi / 03. March 2008, 22:30 Uhr

    Eben. Mal ganz von den Eschatologie-, Religions- und sonstwas Vorwürfen abgesehen.

    Ich möchte sogar behaupten das das auch ein Ergebnis der Kurzweilschen Popularisierungs- und Ego-PR-Kampagne ist: Die Leute werden in den Medien mit verkürzten Konklusionen konfrontiert statt mit den Prämissen und holen dann logischerweise ihre Leistungskurs-Deutsch (Schmuddelliteratur)-Kritikkeulen raus.

    Anissimov hatte schon recht: Singularität ist als Begriff nicht mehr nutzbar. Leider ist in solchen Momenten allerdings meist der Punkt erreicht wo Popkultur erst recht Pro und Kontra in die Gänge kommt. Republica übernehmen sie! ;-)

  10. classless / 08. March 2008, 21:46 Uhr

    Es ließe sich vermutlich schlüssig arguemntieren, daß die Prognosen von vor 100 Jahren eingetroffen sind, weil wir den schon damals eingeschlagenen Weg der mechanisch-technischen Verwertung und Beherrschung blind weitergehastet sind und die bürgerliche Gesellschaft entsprechend weiter entfaltet hat.

    Offenbar nicht vorauszusehen war die noch gründlichere (Selbst-)Unterwerfung des Menschen unter seine Verwertbarkeit für Kapital und Staat sowie das daraus resultierende millionenfache Leiden, die Massenvernichtung, der industrielle Mord.

    Naiv wie heute glaubte man damals, der technologische Fortschritt würde sozialen Fortschritt notwendig mit sich bringen.

    Naja, dumm gelaufen.

  11. Christian / 08. March 2008, 22:22 Uhr

    @classless: Politische Machbarkeit ist halt eine ganz andere Frage als technisch-wissenschaftliche Machbarkeit. Nun sind aber auch politische Systeme von bestimmten technischen Rahmenbedingungen abhängig (wie z.B., ganz grundlegend: Biologie, Intelligenz, Psychologie, Reproduktion; in etwas höherer Ebene auch ökonomische Rahmenbedingungen, Produktionsweisen, Knappheit/Verfügbarkeit …), deren Wandel auch denkbar einen Wandel politischer Mechanismen mit sich bringen könnte.

    Ist das nicht eigentlich Grund-Marx: Kapitalismus —> Technologie —> Revolution? ;-)

  12. Navigator / 10. March 2008, 13:35 Uhr

    Mein lieber Scholli … ihr schreibt euch hier vielleicht was zusammen.

  13. Christian / 10. March 2008, 14:30 Uhr

    @Navigator: Weil’s Spaß macht :-D

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