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9to5 #18: Linker Neoliberalismus

15:59 Uhr: Wieder da

Hier wurde vorhin lautstark für Spreebootsfahrten geworben. Wohl für die “Berlin tut gut”-Touristen?

Und warum laufen hier so viele Leute in “Projekt P”-T-Shirts rum?

16:17 Uhr: “Was wäre ein linker Neoliberalismus?”

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V.l.n.r.: Philipp Albers, Christian Rickens, Mercedes Bunz, Holm Friebe.

Während Mercedes Bunz wie eine plakative Werbebotschaft ein Buch vor sich aufrecht mit Cover zum Publikum plaziert und die Hälfte des Podiums sich über eine in den Raum reinfliegende Möwer freut, fängt Friebe an mit dem Satz “Wir sind das Frühstücksfernsehn.” Denn: “Jetzt wird es inhaltistisch”, eine solche Theoriewhopper-Diskussion habe man lieber nicht in eine Spätnachtsschiene gelegt, weil, da könne man sich ja schon ziemlich blöd verplappern, und bei den anwesenden Bloggern, jaja …Jedenfalls, das heute solle so etwas wie den “politischen Überbau”, das “politische Agenda-Setting” bieten. Er blickt nochmal auf die vergangenen zwei Nächte zurück und hofft, dass die Veranstaltung am Ende den einen oder anderen aus seiner “Normalbiographie” herausgeworfen habe. Er bedauert, dass heutzutage kaum noch jemand versuche, “die Jugend zu verderben.”

Philipp Albers verweist nochmal auf die vielfältige politische Einordnung des 9to5, erzählt nochmal von dem TK-Unternehmen, das als Sponsor abgesprungen sei, weil es eine vermeintliche antikapitalistische Attitüde gerochen habe; die Junge Welt auf der Gegenseite werfe ihnen eine Propagierung der durchgängigen Durchökonomisierung aller Lebensbereiche vor. Was Friebe für eine Werbeeinblendung der Sponsoren nutzt, die Möbel, auf denen wir uns hier im Raum lümmeln, die sind von Magazin, und die kann man kaufen, und …

Theoriehaufen Bunz

Mercedes Bunz (“urbane Penner”) verliest ein langes Theorie-Eingangsstatement. “Ökonomie und nicht Kultur ist die neue Politik.” Der Neoliberalismus ist da, er ist die gesellschaftliche Grundlage, auf der wir handeln und diskutieren müssen, auch gerade, was Links betrifft.

“Angst” wird als links verkauft, von Oskar Lafontaine und Kurt Beck, Angst vor gesellschaftlichem Wandel, Angst um alte Ordnung, Angst um den alten Sozialstaat sozialdemokratischer Prägung, Vollbeschäftigung als Heiliger Gral, das “soziale Deutschland” von Kurt Beck beschränkt sich auf Erwerbsarbeit und vorwurfsvolle Almosen für die Arbeitslosen, Bewahrung des Hier vor den anstürmenden Gastarbeiterhorden aus Osteuropa, das gute Wir eines hilflosen Staates gegen die böse Globalisierung und den bösen Neoliberalismus. Nein, das ist nicht unser “links”.

In unserem “links” (Aber was ist “links”? “Links”, das assoziiert sie mit Begriffen wie “Widerstand”, “Kritik”, “Utopie”, “Gerechtigkeit”, “Revolution”, “Wahrheit” …) “sagen sich Foucault und der Neoliberalismus guten Tag”, sie macht eine kleine Begriffsgeschichte des Liberalismus auf, der ‘klassische’ Liberalismus, Anarcho-Kapitalismus, gebrochen durch die Freiburger Schule und den Ordo-Liberalismus, aus dem Prinzip des Marktes nicht ein Laissez-faire herleiten, das wäre naturalistische Naivität, als wäre der Markt eine Naturgegebenheit, was er nicht ist; Definition des “Neoliberalismus” als einer sehr wohl geregelten Marktwirtschaft.

Rainer Langhans setzt sich.

Geburt des “homo oeconomicus” als Unternehmer seiner selbst bereits 1978 (bei Foucault?), Vorwegnahme von Ich-AG und Eigenverwantwortung, wir leben in einer Zeit des kreativen Selbst. Neoliberalismus ist nicht per se gut oder schlecht, sondern die politische Ordnung, in der wir leben und nach der unsere Gesellschaft funktioniert; “Wir können davon ausgehen, dass wir alle im Kapitalismus sterben”, es klopft derzeit keine Revolution mit einem attraktiven alternativen ökonomischen Modell an die Tür, es ist zu spät, sich gegen eine Durchökonomisierung des Lebens zu sperren, also/aber: “Bau dir deinen Kapitalismus doch einfach selbst.” Aufgabe der Linken muss es sein, eigene Erzählungen für den Neoliberalismus zu erfinden, Diskurspolitik zu machen, um ihn uns gerecht zu formen, Alternativen anbieten, ihn zu rekonfigurieren, die “Digitale Bohème” mag ein solches Modell sein, “The Long Tail” ein anderes.

Worauf sie auch noch besteht, man solle das Märchen vom schwachen Staat nicht mehr glauben, der Staat ist nicht schwach, der Staat formt in bedeutsamer Weise, wie wir leben, wie wir operieren, in welchen Bahnen wir uns in unserer Gesellschaft bewegen können, wie sieht Bildungspolitik aus, welche Technologien fördert oder ignoriert oder unterdrückt er, Steuerung der materiellen, technischen, kulturellen Grundlagen der Bevölkerung, in bedeutsamem Maße auch: Steuerung der Erzählungen der Bevölkerung, und das, ja, das ist Macht, die der Staat hat.

Christian Rickens war mal links, und ist er’s noch?

Auch Christian Rickens sitzt am Podium, Christian Rickens, der “Die neuen Spießer” verfasst hat, über eine Ideologie der bürgerlichen Sehnsucht nach einer überholten Gesellschaft, anti-68er, anti-ökologisch, Kleinfamilienblutsbande über Wahlverwandtschaften, Christian Rickens, der hier sitzt, weil Holm Friebe auf ihn durch eine Amazon.de-Empfehlung “Kunden die x gekauft haben haben auch y gekauft” zu “Wir nennen es Arbeit” auf sein Buch gekommen ist (Diskursarbeit 2.0), die “Bohème” als Gegenentwurf zu den neuen Spießern.

Christian Rickens wird als Linker bezeichnet, obwohl er doch beim Manager-Magazin arbeitet, und in den 80ern, in der Oberstufe, ja, da empfand er sich auch noch als Linker, und er hasste den Spruch seines Gemeinschaftskundelehrers, “Wer mit 20 kein Sozialist ist, der hat kein Herz, wer mit 40 noch einer ist, der hat keinen Verstand”, er schwor sich, ihn nie wahr werden zu lassen, doch dann studierte er Wirtschaft, und er wurde wahr, “wenn man sich mit bestimmten Dingen beschäftigt”, dann gelangten einige traditionelle linke Erklärungsmodelle ziemlich schnell in den Abfalleimer.

Ein paar Schlüsselbegriffe des Linken müsse man auffrischen, findet er, Schlüsselbegriffe, die er durchaus beibehalten will, wie die “Solidarität”, das bedingungslose Anrecht eines Jeden auf ein menschenwürdiges Leben, Absicherung durch die Gesellschaft in einem Maße, dass man weiterhin an ihr teilhaben könne (er findet, dass Hartz IV diesen Aspekt durchaus finanziell schon erlaubt), aber eben auch, und das fehle in Deutschland, ein Verstatten nicht-angepassten Lebens, nicht die Kurt-Becksche Einpassung in ein altes konformistisches Arbeitsgesellschaftsmodell unter Drangsalierung aller, die anders leben wollen; für Durchsetzung des zweiten Teils eines Solidaritäts-Ideals hält er ein bedingungsloses Grundeinkommen durchaus für eine “Antwort-Idee”.

Aber auch andere Begriffe des Linken sind ihm wichtig, der “Materialismus” zurückgehend auf Marx, die Feststellung, dass die Produktionsmittel und ihre Verteilung die Gesellschaft, die Macht- und Lebensverhältnisse formen, im Gegensatz zu einer Position, die das Heil in der richtigen “Einstellung”, den richtigen “Werten”, in “Religion”, “Nation” o.ä. findet, wer diese letzte Position über die erste stellt, zementiert nur den Status Quo der Verhältnisse; einem Linken geht es darum, wie groß der Kuchen ist und wie er verteilt wird.

Auch “Internationalismus” ist ihm wichtig, Ablehnung von Religionismus, Rassismus, Nationalismus, Ablehnung eines nach Samuel P. Huntington, “The Clash of Civilizations”, ausgerichteten Modells der Unvereinbarkeit verschiedenkultureller Räume, der Undemokratisierbarkeit nichtwestlicher Gesellschaft; als Linker muss man die Globalisierung bejahen, kein Einschließen in nationaler Kuscheligkeit bei Ablehnung des polnischen Fliesenlegers.

Und was vor allem links sei: der Glaube an die Möglichkeit der Schaffung einer künftigen Gesellschaft, die besser ist als unsere jetzige, was die “Linke” Beck-Lafontainscher Prägung in Deutschland ja gerade aufgebe, ihr ginge es nur ums Festhalten am Etabliert-Vergehenden; nein, wer links ist, muss glauben, dass es eine bessere Gesellschaft gibt als die jetzige, und dass es sich lohnt, für sie zu kämpfen.

Holm Friebe, unausgeschlafen

Holm Friebe hält sich ganz ans Not-Getting-Things-Done und hat derzeit kein richtiges Statement vorbereitet. Er habe sich sogar auf Empfehlung von Mercedes Bunz den Foucault gekauft, der liege aber unberührt bei ihm da. Er stammelt etwas wirr und unausgeschlafen hin und her und streift dabei nichtsdestotrotz ein paar interessante Meme oder Bewertungen.

Er wettert gegen ein “Vulgärverständnis” von Neoliberalismus als einem Alle gegen Alle, das alles nur schlimmer mache, als es vorher gewesen sei; er fand Hodgkinsons Mittelalter-Idealisierung “zu weitgehend”; spricht mit einer Positionierung, die mir unklar bleibt, über Max Stirners “Der Einzige und sein Eigentum”, von einem “Freiheitsdrang des durchgedrehten Spießers” wider staatliche Zumutungen als anthropologischer Konstante; ordnet sich und seine Mannen unter “sozial-libertären Zukunftsoptimisten” (Hubertus Heil) ein; Anarcho-Liberalismus sei selbst in Amerika durch, siehe Anti-Trust-Gesetzgebung.

Friebe sieht die Rolle des Staates scheinbar in nicht mehr so sehr direkter Wirtschaftssteuerung (“H&M verstaatlichen”, habe die eine PDS-Abgeordnete neulich gefordert, das fand er schon wieder so abwegig, dass er es fast unterstützt hätte), sondern im Umverteilen des Reichtums, progressive Einkommenssteuer und so, aber vor allem auch: Bereitstellung öffentlicher Güter und Räume, Umwelt, Institutionen, Öffentlichkeit, nicht einfach nur Dienstleistungen für eine Angestelltenkultur, sondern Kultur im Sinne eines Prosuming, möchte “Jugendzentren für Erwachsene”.

Diskussion: Staat, Öffentlichkeit, Struktur

Christian Rickens (remember: vom Manager-Magazin) stimmt zu, dass Umverteilung eine Aufgabe für den Staat sei, nach ordoliberalen Kriterien auch Kartellkontrolle usw., aber er ist sehr skeptisch bezüglich eines Potential des Staates, öffentlichen Raum zu organisieren, die Eröffnung von noch mehr öffentlich gelenkten Jugendzentren wäre für ihn ein Alptraum, wo der Staat derartige öffentliche Räume schaffe, sehe es oft sehr trostlos aus.

Mercedes Bunz findet, man solle da einfach bessere Designer ranlassen, dann geht das schon, man habe den öffentlichen Raum ja lange Jahre ganz bewusst ins Unerträgliche “runtergerockt”, um dann ein Argument für seine Privatisierung zu haben. (Das mit dem “Design” wird dann später einen Publikumseinwurf provozieren, hier werde antidemokratisch gedacht, es brauche keine besseren Designer, sondern mehr öffentliche Teilnahme an den Designprozessen. Was dann im Grunde passt zu …)

Holm Friebe fände eine Orientierung der Designparadigmen öffentlicher Instutionen und Räume an Web-2.0-Standards von Usability und Nutzerpartizipation ganz toll, verweist aber auch ganz fröhlich darauf, dass manches davon sogar schon im Kleinen hier und da probiert werde.

Philipp Albers erweitert die Achsen: Schlechtes Design gebe es nicht nur aus der Feder des staatlichen Bürokratentums. Schlechtes Design gibt es schließlich auch bei den großen Konzernen.

Das Problem liegt also vielleicht gar nicht mal so sehr im Gegensatz staatlich – privat als im Aussehen der Verwaltungs- und Steuerungsstrukturen, zentralistisch versus dezentralistisch, Friebe: “Vieles, was früher in hierarchischen Großstrukturen gereglet wurde, lässt sich nun auch in kommunalen Kleinstrukturen regeln.” Da kommt dann auch der Gedanke, dass mittels privatwirtschaftlichem Microfinancing von Unten in einem afrikanischen Land inzwischen mehr für Wirtschaft und Lebensverbesserung geschehe, als die zentralistisch-klobige Entwicklungshilfe es je zustande gebracht habe — dürfe man sich da noch links nennen, fragt sich Friebe, wenn man diese Position, wie er, vertrete?

Er verweist auf eine alte Frontstellung: Früher habe man als Konservativer sich mit dem Begriff “Gemeinschaft” von dem sozialistischen Begriff “Gesellschaft” abgesetzt. Er möchte neue Begriffe für soziales Miteinander prägen: “Geselligkeit” und “Freundschaft”. Mag rührig klingen, aber ist vielleicht diversen neueren Strukturen, die sich gerade herausbilden, angemessener. (Tatsächlich, ich definiere mich in meinem sozialen Miteinander im Web 2.0 ja auch nicht als “Mitglied der […]r-Gemeinschaft/Gesellschaft”, sondern über mein persönliches, enges Network an Kontakten/Freunden/Gesellen, und wenn ich mir so mein Real Life anschaue, definiere ich mich dann nicht auch stärker über mein dortiges persönliches Network denn als Deutscher oder Europäer oder Angehöriger irgendeiner Klasse?)

Mini-Fazit

Uffa, uffa. Ganz schönen Diskurshaufen aufgemacht. Vieles gewiss sehr kritisierbar. Aber ich fand die Diskussion dennoch sehr gewinnbringend. Sie hat, finde ich, sehr plastisch ein neues diskursives Koordinatensystem gemalt, mit neuen Achsen und Polen als traditionellere politische Diskurse zu den behandelten Komplexen. Und das kann als Grundsteinlegung von unvorstellbarem Wert sein.

Saturday August 25, 2007

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