Futuristische und utopische Notizen von Christian Heller a.k.a. plomlompom.
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18:00 Uhr: CCC Jahresrückblick
Nicht allzu spannend. Zum Hacken von Nazi-Seiten gibt es leider nur ein “ich krieg das jetzt nicht mehr so zusammen“-Gestammel; und es wird erzählt, dass bei Projekt P viele der jugendlichen Besucher das Camp Discordia (plomlompom berichtete) für ein kommerzielles Internetcafé gehalten und versucht hätten, Geldeinwurfgelegenheiten an den Terminals zu entdecken.
19:00: “We lost the war – Welcome to the world of tomorrow“ / Rop Gonggrijp, Frank Rieger
Aua, das dürfte die interessanteste Veranstaltung des Tages gewesen, jedenfalls die mit dem heftigsten Diskussionsbedarf.
Die Redner, aus tiefer Depression heraus: ein fundamentaler Wandel in den letzten fünf Jahren. Krieg um privacy / Datenschutz / gegen die totale Überwachung und die Fusion von Kapital und Staat: verloren, endgültig durch den 11. September. Die Zukunft gehöre dem benutzerfreundlichen, komfortablen Polizeistaat. Auch wenn jetzt die Datenmenge der Überwachung aufgrund ihrer Größe noch nicht nutzbar sein dürfte – in zehn Jahren werde das ganz anders aussehen. Wenn Biometrie scheitere, werde man halt direkt zur Identifikation über die DNA schreiten. Wir täten nur in der Illusion einer Demokratie leben – die echten Entscheidungen würden nicht mehr auf demokratische Weise getroffen, es werde nur noch ein demokratischer Diskurs vorgespielt.
Was nun? Die Welt habe sich verändert, also müsse man sich auch selbst in der eigenen strategischen Ausrichtung ändern.
+ die Kämpfe durchdacht und mit Voraussicht und ohne Fundamentalismus herauspicken
+ politische Aktivisten jeder Couleur, so lange sie Veränderung weg vom Polizeistaat wollen, mit dem eigenen technischen Wissen unterstützen
+ technische Mittel produzieren, die gegen Repression verwendet werden können
+ die P2P-/Warez-Aktivisten kämpfen bereits an der kommenden Hauptfront: dezentralisierte Netze, Anonymisierung
+ den Anonymitätswunsch Anderer respektieren; daran auch bei der Verschlüsselung denken, man ist gerade darin nicht nur sich selbst, sondern auch den Kommunikationspartnern gegenüber verantwortlich
+ in der Öffentlichkeit positive Gegenbilder zur Verwendung der Anonymitätssoftware finden gegenüber den behaupteten der Kinderpornographie und des Terrorismus
+ die eigenen Mitmenschen umfassend informieren
+ nicht auf die eigene Überlegenheit verlassen, es arbeiten inzwischen auch genug recht intelligente Geeks für die Dunkle Seite
+ “not getting caught“ sei inzwischen einer der wichtigsten Missionsteile überhaupt
+ Humor sei eine große Waffe (Billionaires for Bush, Yes-Men, AdBusting -> also praktisch Kommunikationsguerilla, was hier favorisiert wird)
+ den Leuten hinter der Kamera und am Abhörgerät die Gewissheit austreiben, dass, was sie tun, ethisch vertretbar sei; ihnen das Gefühl geben, ein “creep in the hole“ zu sein, der schlimme Sachen treibe
+ die Überwachung umdrehen
+ alternative Gesetzesvorschläge finden für jeden Punkt finden, an dem das System kollabiert (ein “back firing“ gebe es bereits jetzt hie und da); man müsse an solch einem Punkt absolut bereit sein
+ radikale Gegen-Gesetzesvorschläge! (kein mildes Eingrenzen) Der Feind stelle unmögliche Forderungen und komme mit einem ihnen angenäherten Mittel davon, man müsse dasselbe tun. Nicht nett auf ein paar “issues“ rumplänkeln, sondern das Problem mit den angemessenen harten Worten angehen.
+ ihre Fehler, die immer wieder vorkommen, ausnutzen, “use their fuck-ups“, nachweisen, dass diese, die im Krieg gegen den Terrorismus aufkommen, gefährlicher seien als der Terrorismus selbst
+ sich strategisch aufs Allerschlimmste vorbereiten
+ den “Fun-Faktor“ nicht aus den Augen verlieren!
Frage ans Publikum, wer daran glaube, man könne einen positiven Zustand wie etwa 1997 zurückerreichen? Ein paar erhobene Hände. (Ist das rückwärtsgewandter Optimismus?)
Die heutige Technologie sei “Erich Honecker’s and Mielke’s dream“.
Datenbanken mit Datenmüll zu füllen, sei keine allzu wirkungsvolle Strategie, höchstens symbolischer Qualität.
Vom Publikum thematisiert: die Problematik der Struktur des Wir vs Sie (”They“); ob es einen “Feind“ als eine identifizierbare, homogene Gruppe gäbe oder wie sie das meinten, ganz so einfach wollten sie es sich dann doch nicht machen, aber so richtig klären können sie dann auch nicht, was genau sie mit ihrem “They“ aussagen wollen. Einmal fällt die vage Formulierung eines “secret government in Brussels“. Ein Publikumsbeitrag sieht die technische Elite, die ja auch auf dem Congress anwesend sei, als Teil des Problems, und erhält dafür viel Applaus. Allgemein viel Problematisierung der Technologie-Macht auf beiden Seiten (Publikum, Redner).
Und wieder aus der hintersten Ecke das Aufmerksam-Machen: dass man den Normalbürger ansprechen müsse, anstatt sich auf dem eigenen Technologie-Elite-Eifelturm diskursiv einzuschließen. (Hey, kommen gleich die Studenten und fordern, in die Fabrik zu gehen, um das Verhältnis zum Proletariat zu vertiefen?)
Felix von Leitner meint dann noch sinngemäß: Die Problematik nicht direkt dem Proletarier vermitteln, sondern den Medien.
Zum Ende dann noch aus dem Publikum:
“Look at the people who believed in Horkheimer and Adorno and look where they are now.“ (aua)
So, und jetzt geht mach ich für heute erstmal Schluss, ich muss noch zu zwei parallelen Abendgesellschaften im Friedrichshain.
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