Futuristische und utopische Notizen von Christian Heller a.k.a. plomlompom.
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16.20 Uhr: Tim O’Reilly Keynote
Erwarte mir von O’Reillys Keynote einen der Haupthöhepunkte der Konferenz und werde auch nicht enttäuscht. Er übertitelt sie mit “Web Meets World” und dekliniert das erstmal ein wenig im Sinne von ‘die fröhliche hermetische Webfreudenblase trifft auf die harte Realität der Welt da draußen’. Hier messen wir Fortschritte bis jetzt in Biertrink-Applikationen fürs iPhone und “throw sheep at your friends” bei Facebook, während dort das Polareis schmilzt und die Finanzwelt explodiert. “Have we been living in a bit of a bubble in the technology world?” Wenn, dann wohl nicht mehr lange, denn die Finanzkrise klopft sicherlich auch hier ziemlich deutlich an die Tür (ich erinnere mich an die Sören-Stamer-Session beim BarCamp Berlin 3 — Hände hoch im Publikum, wer kennt Leute, die durch die Finanzkrise gerade ihren Job verloren haben? wer hat durch die Finanzkrise mehr als 50% seines Geldes verloren? Gingen in beiden Fällen durchaus einige Hände hoch).
Probleme der Krisenprognostik.
O’Reilly holt das Zerplatzen der Dotcom-Blase aus dem Schuhkarton, der Vergleich mit dem Schlamassel, den wir jetzt vielleicht bald haben, wird inzwischen längst nicht mehr gemieden. Aber natürlich, so real die Dotcom-Blase war, so wenig bedeutete sie, wie mancherorts damals wohl dachte, das Ende der Internet-Revolution, ganz im Gegenteil, einfach einen bedeutsamen, nicht nur zerstörerischen Einschnitt in der Web-Evolution. Was das Web 2.0 im Kern ausmacht, seine technischen Grundprinzipien von Offenheit und Partizipation, wird nicht mehr weggehen. Finanzkrisen als natürliche Auslese, die das Gute vom Schlechten (“Me-too startups fueled by easy money”), als Beschleuniger von Entwicklungen (wieder: think Sören Stamers Finanzkrisentalk vom BCB3). Er benutzt den Begriff der “Pre-cambrian Explosion”. Uns erwartet also noch Einiges, und die Finanzkrise mag da weniger Hemmnis als Beförderer, Purifikator, chancenschaffender Markterschütterer sein.
Strategien zwischen Singularität und Zivilisationskollaps.
Er redet auch von Zukunftsprognostik. Von Krisenvorausschätzungen. “It’s tough to predict the future” spricht’s und blendet u.a. einen ganzen Slide zu Ray Kurzweils “The Singularity is Near” ein (siehe futur:plom-Lektüre), leider zu geschwind, als dass ich ihn geknippst kriege. Mit einer so ungewissen Zukunft, zwischen Heilsversprechungen und wirtschaftlicher und ökologischer Apokalypse, wie kann sich da der kleine Webzwonuller noch strategisch verhalten? Oh, da nehmen wir mal Szenarioplanung/Nutzenabschätzung zu Hilfe, denn O’Reillys Forderung “Work on stuff that matters!” erfordert natürlich die Überlegung, was das ist, das “matters”. Zum Beispiel Klimawandel, den er mit einer eigenwilligen Interpretation der Pascalschen Wette angeht, wonach ein gottesfürchtiges Handeln so oder so zum Guten führe, ob der Bart im Himmel nun da sei oder nicht (die Pointe der Pascalschen Wette liegt glaubich etwas anders gestreut), analog ein umweltfreundliches Handeln zum Guten führe, ob der Klimawandel nun katastrophal sei und anthropogen oder nicht.
Eigenwillige Umfaltung von Blaise Pascal.
So oder so, “great challenge = great opportunity” und in dem Geiste listet er nun zweiundneunzigzigilliarden weltverbesserisch ambitionierte Webzwonullprojekte auf, “collective intelligence for good causes”, vom “Open Prosthetics Project” (ich wittere da vor allem great opportunities zur Aneignung durch die Body-Hacking-Gemeinde) bis zu den 23andme-Genetikern, teils schon alles Zeugs, was eher nicht im Programm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands stünde sondern einer gewissen futurologischen Euphorie sich andient, vor allem auch Zeugs, das von Webzwonullmechanismen wie Intelligenz durch Skalierung und Selbstorganisation lebt, “A victory small enough to be organized is too small to be decisive” zitiert er Eliot Janeway, “Struggle for survival”. Er steigert sich hoch zur Freude am Wagnis des möglicherweise Unerreichbaren, zumindest zuvor noch nie Gewagten oder Erreichten, verweist (localization) auf die Berliner Luftbrücke etwa als einem überdimensionierten Logistik-Megaprojekt Richtung Unvorstellbarkeit, analog die Gigantomanie der intelligent auszuwertenden Datenmassen, die wir inzwischen über die Welt messen können, Energieverbrauch – Populationsstatistik – wirtschaftliche Verteilung, eben dieses Sammeln und Managen von Datenmassen als Stärke des Webzwonull, hierdurch Potential für Ökologie und Zivilgesellschaft. “Create more value than you capture”, “Do you think we’re done yet? [mit den Weltverbesserungs-Potentialen des Web] I don’t.”
Er schließt mit einem Rilke-Gedicht, leider auf Englisch.
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