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Red Mars (Kim Stanley Robinson)

Eine Lektüre von Kim Stanley Robinsons monumentalem Science-Fiction-Roman "Red Mars" / "Roter Mars" über einen Beginn menschlicher Besiedelung und Terraformung des roten Planeten.

I.

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Die englischsprachige Originalausgabe, die ich gelesen habe.
Ich liebe die erste Hälfte von Red Mars. Ich liebe den langsamen, vorsichtigen Anfang einer menschlichen Präsenz auf dem so relativ erdähnlichen Planeten. Ich liebe, wie Kim Stanley Robinson ihn minutiös, lehrreich und mit einer lexikalischen Informationsdichte schildert, die jeden nur denkbaren Anspruch an den Begriff Hard Sci-Fi erfüllen dürfte.

Ich liebe: die Auswahl von hundert Siedler-Freiwilligen als Querschnitt aller brauchbaren Expertisen; ihre psychologische und praktische Vorbereitung in einem einjährigen Probe-Camp in der Antarktis; die neunmonatige Reise durch den Weltraum in ihren routinierten Tagesabläufen, von der sportlichen Betätigung bis zum Probedurchlauf des riskanten Landevorgangs; die lange Wartezeit auf dem Schiff voller wissenschaftlicher Diskussionen, Erwartungen und Planungen des Kommenden; dann, zur Ankunft, die mit aller historischen Schwere erfahrenen ersten Schritte auf dem neuen Boden; das Aufbauen eines erst noch kümmerlichen Daseins mit dem, was zuvor an erdgefertigten Versorgungs- und Werkzeug-Einheiten auf dem Planeten abgeworfen wurde; wie daraus durch harte, zielgerichtete Arbeit über viele Monate hinweg eine kleine, abgeschirmte Kolonie gebastelt wird, mit Laboren, Gewächshäusern und sogar einem kleinen Atomkraftwerk, das liebevoll von den Kolonisten "Tschernobyl" getauft wird; wie mittels der gegebenen Technik aus den marsianischen Ressourcen Materialien für neue Werkzeuge, Gebäude und Maschinen synthetisiert werden; wie die gefrorenen Marspole nach Wasser für den menschlichen Verbrauch durchforscht werden ...

Das alles hat einen Charme vergleichbar den ersten Spielrunden von Sid Meier's Civilization: Mit regem Ingenieursgeist errichten wir in ein vorzeitliches Nichts eine Siedlung der Zivilisation, optimieren ihre Ausnutzung der Umgebungs-Ressourcen, sehen zu, wie sie wächst und sich Stück für Stück in eine vielversprechende Zukunft entwickelt. Robinson gelingt es, zwei Dinge zu kombinieren: einerseits eine hohe wissenschaftliche Bodenständigkeit, die noch die profansten Details einer beginnenden Marskolonisation auf ihre konkrete technische Machbarkeit abklopft; andererseits einen hohen Pathos von Utopie, Pioniergeist,
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Die deutsche Übersetzung.
Produktivkraft menschlichen Arbeits- und Unternehmensgeistes sowie einem Empfinden für den gewaltigen historischen Schritt, den die Urbar- und Lebbarmachung des Mars für die Menschheit bedeuten würde. Dieser Pathos findet seinen Höhepunkt in einer wunderschönen Rede, die die Figur Sax Russell in einem Streit über das Für und Wider eines langfristigen Terraformings des Planeten hält:

The beauty of Mars exists in the human mind. Without the human presence it is just a collection of atoms, no different than any other random speck of matter in the universe. It's whe who understand it, and we who give it meaning. [...] Now that we are here, it isn't enough to just hide under ten meters of soil and study the rock. That's science, yes, and needed science too. But science is more than that. Science is part of a larger human enterprise, and that enterprise includes going to the stars, adapting to other planets, adapting them to us. Science is creation. The lack of life here, and the lack of any finding in fifty years of the SETI program, indicates that life is rare, and intelligent life even rarer. And yet the whole meaning of the universe, its beauty, is contained in the consciousness of intelligent life. We are the consciousness of the universe, and our job is to spread that around, to go look at things, to live everywhere we can. [...] There is this about the human mind: if it can be done, it will be done. We can transform Mars and build it like you would build a cathedral, as a monument to humanity and the universe both. We can do it, so we will do it.

II.

Das ist eine Seite von Kim Stanley Robinsons Red Mars; diejenige, die ich am meisten liebe. Doch das Buch geht noch um Einiges weiter.

Die Urbarmachung des Planeten schreitet in der zweiten Hälfte mit immer größerem Tempo voran. Terraforming-Experimente werden in großer Zahl und ökologischer Ambition vorgenommen. Sie bewirken im Verlauf des Textes noch längst keine erdähnliche Bewohnbarkeit des Planeten, aber sie funktionieren als Teil eines größeren gesellschaftlichen Rahmens, der wirtschaftlichen Erschließung des Mars und seiner Ressourcen. Die Motive des Heimatplaneten Erde gelangen stärker in den Fokus: Kräfte zwischen UNO, Nationalregierungen und großen transnationalen Firmenimperien stehen mit konkreten irdischen Interessen im Rücken der Kolonisten. Die Kolonisten selber spalten sich über die Jahre in diverse verschiedentlich alliierte Parteien auf, von unpolitischen Ingenieuren über Befürworter und Gegner eines Terraformings (ein charmantes Paradoxon, dass die Befürworter eines solchen großen manipulativen Eingriffs in die Natur hier nun die "Grünen" genannt werden, mit Anspielung auf das erwartete Endergebnis für den Planeten) bis zu mystizistischen und sozialistischen Utopisten, die auf dem Mars Chancen für neue Gesellschaften sehen. Als dann von der Erde in immer höherer Zahl menschlicher Nachschub auf den roten Planeten befördert wird, der sich konfliktreich kulturell und politisch ausdifferenziert, kommt's zwangsläufig zu so einigem dramatischen Durcheinander.

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Die erste Fortsetzung.
Diese Entwicklungen gingen mir stellenweise etwas zu schnell und rabiat voran. Es vergehen kaum ein paar Jahrzehnte vom ersten Schritt eines Menschen auf den Mars in den 2020ern bis zu einem totalen Mars-Krieg, bei dem so viel auf dem Planeten an überdimensionalen ökologischen Katastrophen geschieht, dass das Terraforming bald ganz von alleine abläuft. Andererseits ist Konflikt auf einem gewissen Wumms-Niveau eine nur schwer zu umgehende Notwendigkeit für einen kommerziellen Science-Fiction-Roman. In Anbetracht dessen sind die beschriebenen Auseinandersetzungen immer noch recht sorgsam austariert. Das Gegenteil, die ersten Jahrzehnte einer Marskolonisation in einem gesellschaftlichen Vakuum stattfinden zu lassen, wäre nicht unbedingt befriedigender gewesen. (Großen Wumms hätte man dann nur haben können, indem man einen äußeren Feind postuliert hätte. Feindliche Aliens gibt es hier aber nicht, und das ist für das Konzept eines realistischen Romans über Marskolonisation auch ganz gut so. Die Chancen für konkurrenzfähiges Leben auf dem Mars sehen nämlich wissenschaftlich derzeit eher mau aus.)

Was Robinson in dieser Hinsicht gut gelingt: ökonomische Bedingungen und Potentiale einer Marserschließung zu beschreiben -- die Ausbeutung marsianischer Ressourcen; das Problem ihrer Profitabilität in Anbetracht der Kosten eines Transports zurück zur Erde; die Antwort hierauf in Form der Errichtung eines marsianischen Weltraumfahrstuhls (bitte den Wikipedia-Eintrag lesen, bevor über den Begriff gelacht wird); die Frage der wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit einer Ausbeutung des Mars gegenüber der vielleicht günstigeren Ausbeutung der Asteroidengürtel unseres Sonnensystems.

Etwas naiver und uninspirierter wirken dagegen die politischen und ideologischen Koordinaten, die Robinson für seine Konflikte setzt: Grob vereinfacht gesagt läuft es hinaus auf Sozialisten und Naturmystiker auf der einen Seite und rücksichtslose ausbeuterkapitalistische Unternehmen auf der anderen Seite. Zu allem Überfluss erfüllen, wieder grob vereinfacht gesagt, die Kapitalisten auf der Erde die müde alte Funktion der globalen Firmen-Imperien, die inzwischen mehr Macht haben als die Nationalstaaten. Die marsianische Revolution auf der Gegenseite macht mich stirnrunzeln, wenn die Figur des Ersten Mannes auf dem Mars John Boone in einer Rede die revolutionäre marsianische Weltkonzeption der "Eco-Economy" ganz klassisch sozialdemokratisch-antisemitelnd mit einer Scheidung beschreibt zwischen sozial-positiv-schaffendem menschlichen Unternehmertum und negativ-raffendem 'Parasitentum' (ja, Parasiten, das ist das Wort, das er gebraucht) der greedy capitalists.

III.

Nichtsdestotrotz befriedigt auch die zweite Hälfte in Hinsicht auf Hard Sci-Fi und utopischen Pathos. Bis auf ein oder zwei Ausnahmen erfüllt jedes Kapitel pflichtgemäß die Funktion eines beeindruckenden neuen zivilisatorischen Meilensteins: Die Reise. Die Ankunft, die erste Kolonie, die ersten Schritte im Terraforming. Life-Extension. Ein künstlich herbeigeschaffener neuer Mond, der Weltraumfahrstuhl. Und im Kriegsverlauf ein paar kosmische Mega-Katastrophen, die teils derartig wahnwitzig sind, dass ich sie hier nicht spoilern möchte.

Ich hatte eben in der Liste den Begriff "Life-Extension" mit aufgezählt. Tatsächlich extrapoliert das Buch nahezu nebensächlich zur Marsbesiedelung noch Fortschritte in der Biotechnologie und Genetik, die im fortgeschrittenen Verlauf der Handlung zu einer (vielleicht
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Die zweite Fortsetzung.
wirklich zwangsläufigen, wenn man so einigen realen Ansätzen glauben schenken mag) bemerkenswerten Entdeckung führen, die auch locker einen eigenen Science-Fiction-Roman hätte bekommen können: die Aufhebung des menschlichen Alterns. Die Helden auf dem Mars scheinen diese Heilung geradezu achselzuckend entgegen zu nehmen. Auf der Erde dagegen löst sie anscheinend einen vollständigen Kollaps ganzer Gesellschafts- und Kultursysteme aus.

Wovon man aber immer nur andeutungsweise erfährt. Das ist eine weitere Stärke des Buches: Es wird tatsächlich ein Gefühl für die langsam wachsende Distanz eines zunehmend eigeneren Lebens auf dem Mars zu dem auf der alten Erde geschaffen. Mutter Erde ist in der neuen Welt sowieso nur noch telekommunikativ und in Form von Nachrichtensendungen vermittelt gegeben. Das kann Red Mars wirklich gut, und dafür vor allem möchte ich den Roman empfehlen: Er erzeugt in großer Breite und Tiefe einen Eindruck, ein Gefühl, einen Sinn für die ersten neugierigen, stolpernden Schritte der menschlichen Zivilisation in einem neuen Raum. Vielleicht nicht in jedem Aspekt konsequent, aber im Großen und Ganzen schon sehr eindrucksvoll. Motivierend.

Mal schaun, wie sich die beiden Fortsetzungen von Robinsons Marstrilogie Green Mars und Blue Mars in meiner Lektüre schlagen werden. Müssten demnächst eintrudeln.

Tuesday July 24, 2007

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