Futuristische und utopische Notizen von Christian Heller a.k.a. plomlompom.
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Tag 1, 18:39 Uhr: Trolle im Netz: der Workshop
Wider Erwarten ist der Raum nicht überfüllt (zuvor machten sich den ganzen Tag schon Narrative breit über unglaubliche Überfüllungen im Workshop-Raum 2, die mich zaudern machten), sieht nach einer ganz entspannten Runde aus.
Torsten Kleinz und Mathias Schindler stellen “archetypische” Troll-Typen vor:
1. Der Dumm-Troll, der eine Provokation höchst geist- und einfallslos, unfundamentiert und laut rausbrüllt, immerhin nicht lange durchhält, aber schnell Nachahmer findet. Irgendwie ordnet Schindler auch repititive Ritualwitzeleien wie den In-Soviet-Russia-Witz (in dessen Erklärung er sich einigermaßen verhaspelt, ist ja auch etwas hirnverquerend) darunter als eine harmlose, geduldete Variante ein; vergleichbar mit dem Kölle-Alaaf-Brüllen in einer U-Bahn, das sofort euphorische ritualisierte Rückrufe vieler fremder Fahrgäste hervorrufe (die neben mir sitzende Ethnologin verweist auch auf ihre Erfahrung von glückendem “Prost ihr Säcke” – “Prost du Sack” unter Fremden in Kneipenöffentlichkeiten).
2. Der Ich-will-ja-nur-gesagt-haben-Troll, der ja sehr wohl ein legitimies Anliegen vorbringe, sich aber mit keiner Problemlösung zufrieden gebe, sondern darauf bestünde, auf der Sache rumzureiten bis er eine hinreichende Würdigung, ein Zugeständnis seiner Leistung als wesentlichem Beitrag, eine Unterwerfung erhalte. Eine Workshopteilnehmermeldung unterstellt ihm (meint sie damit wirklich spezifisch diesen Typus?) auch die Eigenschaft, auf Antworten stets mit dem Doppelten oder Dreifachen des Textvolumens zurückzuantworten. Ein solcher Troll könne sehr wohl auch aus falschem Umgang, Fehlverhalten in der getrollten Community entstanden sein.
3. Der Uber-Troll, ein das Revier gut studiert habender Insider mit viel Zeit und viel Geld (“Frührentner, Studenten, Büroarbeiter”); er werde gern auch außerhalb der Community tätig, notfalls macht er ein externes Community-Betroll-Blog auf, am Ende stehen dann zuweilen ganze eigene Communities von Trollgemeinschaften, die sich vielleicht sogar selber konstruktiv-kennerisch mit dem beschäftigen, was sie eigentlich betrollten; der Drang vom Destruktiven zum Konstruktiven, “die Elche” fällt aus dem Raum, Kleinz: “Ich höre schon das gehobene Usenet-Vokabular.”
4. Der Kampagnen-Troll, der gewöhnlich per se kein Troll ist, aber deren erfolgreiche Taktiken inzwischen kennt und nun auszieht, sie selbst gegen böse Menschen und Firmen einzusetzen, um sie zu nerven, Beispiel Groklaw, das bei SCO gut Kräfte binde; freilich, so Kleinz, nicht vergessen, Subjektivität von Gut und Böse und so …
Ja, jetzt geht’s allgemein mehr wieder in eine positivere Besetzung des Troll-Begriffs … Eine Teilnehmerin erzählt von einem Troll ihrer Community, der durch Wechsel der Forensoftware ausgeschlossen wurde; irgendwann wurd’s der Community bewusst, dass sie seine Trollereien eigentlich so sehr schätzte, dass er nun fehle; man lud ihn wieder zurück ein und erfreute sich fortan wieder seiner ausgefuchsten Trollereien, die man so lieb gewonnen hatte.
Schindler verweist auf einen ehrgeizigen amerikanischen Wikipedia-Troll, dessen Trollereien 90% aller Wikipedia-Troll-Abwehrfeatures begründet hätten, so dass die Wikipedia nun über höchst effektive Troll-Abwehrmechanismen verfüge. Nun wird das Argument vom Troll als harter Schule für Communities umgekehrt: die Wikipedia als harte Schule für Trolle. Wikipedia-trainierte Trolle, die sich die ganzen jungfräulich-unerfahrenen Rest-Wikis unterwerfen würden; der Geheimplan von Wikipedia, Trainingsgrund für Trolle: “Wikipedia ist das Al-Kaida des Internet.”
Fröhliche Anekdotenjonglage, Trolle in Printmedien, kunstvolle Kleinanzeigen-Setzer-Trollereien, Konstanzer Geschichten. Aber ja, doch, Trolle sind nützlich, sie unterhalten, sie schulen, sie dienen der Konsensbildung. Trotzdem wird nun der Slide mit den Gegenstrategien aufgeklappt. Und der erste Punkt: “Es gibt keine Patent-Rezepte.” Aber zumindest einen “kleinen Strategie-Kasten” will man bieten.
Da gibt’s das Ignorieren, ohne Aufmerksamkeit verhungert der Troll, Problem: Google weiß das nicht. Und nicht jeder Troll sei, bei Brisanz seiner Behauptungen, zu ignorieren, oder doch? Der lesende Nutzer muss halt sich Medienkompetenz antrainieren, das Problem, das sind noch die Newbies, die Newbies sind noch naiv und glauben vielleicht sogar, was sie lesen.
Anderes Mittel: Strikte Regeln, die Trollen keinen Spielraum geben. Nur: Kein Regelwerk ist perfekt, und die Kunst guter Trolle liegt eben gerade daran, sich an den Buchstaben der Regeln zu halten und sie dabei in ihrem Sinngehalt dennoch zu subvertieren.
Wichtig auch: Offen kommunizieren, wenn man sich als Hausherr ansieht und so Trolle zensiert oder rausschmeißt, auch des Lern-Effektes wegen (wohl weniger für den Troll als für die Anderen) immer eine Begründung mitschieben: “Ich habe das getan, weil …”
Problem: Moderatoren-Zeitmangel.
Weitere nicht unproblematische Strategie: “Das Spielfeld vergrößern”. Trolle haben ein Umfeld, das man über ihre Tätigkeiten informieren kann, Provider, Arbeit, Familie, wenn man ihn ausreichend identifiziert hat; und eben diese Möglichkeit kann man ihm mitteilen und ihn so einschüchtern. Problem: Datenschutz; Problem: “der Einsatz wird erhöht”, wenn man sein Hoheitsgebiet verletzt, könnte er es auch umgekehrt versuchen …
Ein alter Usenet-Hase im Raum spricht von invertierten Killfiles und nicht persönlich angreifenden Netiquette-Hinweisen, die weniger als direkte Antwort auf einen Verstoß, sondern einfach so als Auszug für sich ins Forum gepostet werden; da kann dann der Verstoßende selber entscheiden, ob er sich angesprochen sehen möchte oder nicht, aber die pädagogische Wirkung bleibe ohne Verschlechterung des Diskussions-Klimas bestehen.
Ich freue mich, wie Torsten Kleinz das Wort “Mem” verwendet und wie der Begriff “Subtext” in den Raum rieselt, psychoanalytisches Trolle-Angehen nun, bloß nicht in einen Mütterchenkomplex verfallen und sich Gedanken darüber machen, oh, der Blog Troll [der Verschreiber stand hier echt eben, ich frage mich, ob da was Freudianisches hinter steht o.ä. – nachträgliche Anmerkung] habe bestimmt eine harte Kindheit gehabt …
Wie dem auch sei, ich merke meine Aufnahmefähigkeit schwinden.
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