(Bloggen vom Chaos Communication Congress)
16.00 Uhr: Chaos und Kritische Theorie / Adorno, Wilson und der Diskordianismus
Odysseus (links) & die Göttin Eris (rechts, am Anzug erkennbar).
Ein “Schaukampf” zwischen
Odysseus / Oona Leganovic / Kritische Theorie, Frankfurter Schule, Theodor W. Adorno
&
Göttin Eris / Daniel Kulla / Chaos, Robert Anton Wilson, “Diskordianismus”
Odysseus, der erste Mensch, der lernte, mit Verstand die Götter auszutricken; der Mensch, der sich der Idole zu entledigen sucht, und doch immer wieder auf neue Idole oder Fetische gelange; das Ziel, die ewige Verblendung zu durchschauen, um so irgendwann die Welt vernünfitg einrichten zu können; bis zu jenen deutschen Kommunisten, die in den 20er Jahren zur Frankfurter Schule wurden; Kritische Theorie; Corporation so wenig die Verwertungslogik wie die Menschen von den Medien unterdrückt werden …
(Während alledem: irritierender Mikrophonverstellterror an der Bühne Umherspringender.)
Eris, eine sächselnde Göttin, bekannt als Maskottchen dieser Pop-Religion “Diskordianismus”, dieses Wort, das schon so nach Ideologie klingt, nach: kann man beitreten und Heil rufen; steht für Widerspruch, Ausnahme, Spezialfall, Fehler im System; Zwietracht-Versuche, die leider immer wieder verpuffen; immer wenn Chaos aufkommt, macht wer ‘nen Zaun rum; immerhin, in Kalifornien, zwischen Sekten und Drogen, gäbe es ein paar verständige Adepten; es gelte, nicht von einem Glauben abzufallen, sondern vom Glauben allgemein; die Welt vom Punkt des Unpassenden / Dysfunktionalen denken (daher wohl auch so viel Verbreitung unter Debuggern, Programmierern usw.); der Papst sagt im Paralleluniversum “Wer nicht aufmerksam ist, der verpasst die besten Pointen.”
5 Runden:
Individuum
Wissenschaft
Sprache
Wirtschaft
Witz
In den ersten drei Runden zeichnen sich überraschende Übereinstimmungen ab, wobei die jeweiligen Positionen schon recht eigen sich definieren; Ermutigung des Individuums, Träger des autonomen Verstandes bei Odysseus (Göttin Eris ist “voll überrascht”, “dachte, ihr seid Kommunisten / autoritäre Zoffsäcke”), bei der Göttin die Instanz, die widerspricht, deren Weg von Dogmen/Ideologie/Vorprägung über Drogen / Initationsriten o.ä. freigeschossen werden müsse … Zwist und Zweifel sind nicht nur demokratisch zu tolerieren, sondern notwendige Bedingung für die netteren Dinge. Übereinstimmung einigermaßen auch bei der Wissenschaft und der Sprache (auch wenn ein Aneinander-Vobeireden); als Sprache “nur so Rätsel”, da bei den Rätseln würden die Menschen leider bei der Lektüre von Eris-Adept Wilson immer nur sich auf bestimmte längst gelöste konzentrieren, stattdessen müsse man mal neue machen! “Die machen’s nicht, die zitieren’s bloß”; dito für Odysseus, “Es geht nicht um den Adorno-Zettelkosten.”
Widerspruch gibt es dann erst bei der Wirtschaft. Göttin Eris bemerkt begeistert: “Freier Markt ist totales Chaos!” (Applaus.) ... wo “ein freier Mann noch einen freien Dollar machen kann!” (Applaus!) Da schlägt Odysseus aber gegen, will das Individuum gegen die gesellschaftlichen Automatismen und die Verwertungslogik behaupten … Ebensowenig haut’s mit der Einigkeit beim Witz hin, wenn Eris Odysseus’ Frankfurter Schule auf die Neue Frankfurter Schule bezieht … Die Göttin ist für Drogen und Neuro-Evolution und zitiert Harald Schmidt: “Haschisch erweitert das Bewusstsein, aber nur bei denen, die schon eins haben.” Ach, und Eris fühlt sich von Odysseus angegriffen, “So jetzt bin hier also der Verblendungszusammenhang?!”
Wie dem auch sei. Zeit für die Fragerunde. Wer vom Publikum Fragen an Odysseus oder die Göttin? Die ist auch gern bereit, Gebete zu empfangen.
Einer fühlt sich bezüglich des gegebenen Zoffes an die Polizeifamilie am 1. Mai erinnert: früh sitze man beim Frühstück beisammen, tagsüber beschmeiße dann Sohnemann den Vater mit Steinen, der wiederum mit Wasserwerfer antworte, abends sitze man dann wieder gemütlich gemeinsam zum Abendbrot.
Rede an Eris: das Wildeste reden und dann doch nur mit “war nicht ernstgemeint” oder der Witzform nachzuhobeln, sei wohl eine Durchkommens-Strategie für ein repressives Umfeld … Eris antwortet, es mache sehr wohl auch einfach Spaß.
Einer findet Diskordianismus einen Stapel an einander widersprüchlichen Dogmen, was es gerade interessant mache …
Einer stellt die Frage nach dem Endziel des Diskordianismus, seinem Sinn … Die Göttin antwortet, da ist kein Sinn drin, das ist kein Ismus, das ist eine Methode. Nützlich, öden Meinungskonsens zu versauen / durcheinanderzubringen. Der Fragesteller wirft den Begriff “intellektuelle Anarchie” ein.
Einwurf, wenn Eris nur eine Methode sei, dann könne doch Odysseus Eris einfach missbrauchen, also als Methode …
Es gibt auch Fragen wie: “Eris, du bist allein auf ‘ner Insel und hast Hunger …”
Beten tut niemand. Und Odysseus/Kritische Theorie ist seitens des Publikums leider arg unterbefragt.
Zettelwand am Bücherstand von Eris und Odysseus.
Saturday December 30, 2006
Werbung
(hier war mal AdSense-Werbung, heute aber nicht mehr)
Kommentarfunktion für diesen Artikel geschlossen.
