Futuristische und utopische Notizen von Christian Heller a.k.a. plomlompom.
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Wobei ich eigentlich nur am 28. und 29. drin war.
Der 20. Chaos Communication Congress des Chaos Computer Clubs:
Eigentlich dürfte ich mich ja gar nicht auf eine derartige Veranstaltung wagen: Weder habe ich Linux installiert, noch kann ich allzu nennenswerte Kenntnisse im Programmieren vorweisen. Aber interessant finde ich das alles dann doch, also keine Ausrede, nicht hinzugehen!
Blinkenlights war reaktiviert, d.h. das Haus des Lehrers wurde wieder als überdimensionaler 8×18-Pixel-Bildschirm missbraucht (8×18 Fenster, und über Computer werden die Lichter der Innenräume kontrolliert, um so einfache Bilder, Buchstabenreihen und Animationen zu erzeugen). Daneben im Berliner Congress Centrum tagte der CCC – d.h. 2342 Besucher (diese zwar fiktive, aber dennoch propagierte Zahl setzt sich zusammen aus der Illuminaten-“23” und der Douglas-Adams-“42”), die sich mit Schlafsäcken und Laptops im ganzen Gebäude verteilten.
Jetzt konnte ich mich mal umschauen, ob all die Geek-Klischees der Wahrheit entsprächen – und fand, dass die meisten Menschen recht normal schienen und ein erfreulich großer Anteil sich alternativ und/oder links kleidete. Sehr oft roch es nach Cannabis (und das Sortiment eines Bücherstands war mehrzahlig Drogenliteratur, wobei sich aber auch Kuriositäten wie ein Büchlein über Otto Mühl reingeschmuggelt hatten – was wollen die Hacker denn mit dem?). Übrigens schien der Großteil, wenn er nicht gerade an einer Veranstaltung teilnahm, nicht beim gemeinsamen Plausch zu sitzen, sondern am eigenen Computer/Laptop – naja, ist ja auch irgendwie naheliegend. Im “Hackcenter” oder wie das Ding hieß saßen in einem großen Raum Unmengen von Hackern, Bastlern und Computerbegeisterten an ihren Maschinen und gaben ein spannendes Bild von Arbeit- und Betriebsamkeit ab.
Die erste Veranstaltung, die ich besuchte, war am zweiten Kongresstag ein Workshop über “Bürgernetze”. Soweit ich das verstanden habe (und ich kam eh zu spät), ging es darum, Bürger auf lokaler Ebene über das Internet in eigenen Strukturen zu organisieren, was natürlich politisch durchaus interessant ist – solche Strukturen ließen sich nutzen für Diskussionsforen, gemeinsame Aktionen, Bürgerinitiativen, etc., für die hierzulande in ihren politischen Möglichkeiten etwas unausformulierte Zivilgesellschaft, als Gegengewicht zu einer ‘Demokratie von oben’. Die konkreten organisatorischen Formen dieses Bürgernetzes sollten nun ausgebaut werden – da gab es aber von einigen Anwesenden Proteste, das war dann doch eher zu sehr politisch, sie hatten sich von einem “Workshop” eher Technisches erwartet. Es wurde gar geäußert, man wolle sich nicht von der Politik instrumentalisieren lassen.
Von einem von einer Italienerin auf Englisch gehaltenen Vortrag über Hacktivism bekam ich leider nur noch das Ende mit; ein weiterer über praktisch nutzlose, aber herrlich groteske Programmiersprachen war sehr lustig (und ich merkte, dass ich dank meiner bescheidenen Programmierkenntnisse zumindest nicht zu dumm bin, einem Vortrag über obskure Programmiersprachen zu folgen); ein anderer handelte im Allgemeinen von der Verquickung von Kunst und Programmen bzw. Programmiererei und einem speziellen Portal für derlei im Besonderen.
Dieser letzte Vortrag holte breit aus in den kunsttheoretischen Exkurs, was wohl einen großen Teil des Publikums mehr und mehr verschreckte, es gab dann auch nicht nur Flüchtende, sondern auch Vorwürfe ob des als prätentiös empfundenen Vokabulars des Referenten, der sich aber argumentativ gut zu verteidigen wusste und nicht nur darauf aufmerksam machte, dass das Portal selbst völlig unprätentiös gestaltet sei (was er leider nicht nachweisen konnte, denn praktischerweise war schon seit geraumer Zeit die Verbindung zum Internet auf dem Hackerkongress zusammengebrochen), sondern auch selbst zu einem verbalen Schlag ausholte gegen prätentiöse Computerkunst im Stil irgendwelcher Videoinstallationen oder der letzten Transmediale. Außerdem rutschte ihm der hübsche Ausdruck “Demokratur” heraus.
Abends gab es dann im größten Saal ein sehr schönes Quiz mit zu erratenden Begriffen wie “multicast” oder “root shell”. Wunderschön, wie das Publikum über obskure technische Details und Anspielungen gröhlen konnte. Etwas kulturspezifischer wurde es dann, als “Dust Puppy” aus den Userfriendly-Cartoons erraten werden sollte. Der Ratende, im Übrigen ein Solaris-Apologet, scheiterte und äußerte, während die Anderen Userfriendly läsen, schreibe er C-Code. Desweiteren sollten auch so anschauliche Begriffe wie “PERL”, “Paketfilter” und “blocksize” pantomimisch dargestellt werden …
Am Folgetag erreichte ich gerade noch das Ende eines Referats über Blogger und den Irakkrieg; spannender indes schien mir die nachkommende Erörterung über die Problematik Freier Radios in Deutschland und speziell Berlin sowie die etwas ins Mafiöse tendierenden Strukturen der Landesmedienanstalt und der GEMA. Ein bisschen bekam ich dann auch noch mit von einem Vortrag über das Reinhacken in auf Linux basierende Firmwares und die so feststellbaren Verletzungen der GPL. Bei anderer Gelegenheit wurde der Vorschlag eines alternativen Zahlsystems für übers Netz bisher leidlich legal erhältliche Medien dargelegt, der im Groben für jeden Internetbenutzer eine gleich große relativ niedrige Gebühr pro Monat verlangte und gewiss vor den Interessen der großen Industrie nie durchsetzbar sein wird.
Schließlich lauschte ich noch einem Workshop über Softwarepatente – die in großen Netzen ganze Bereiche der Informatik blockieren, monopolisieren und abhängig machen können, einzig kontrolliert von den großen Konzernen, die genug Anwälte beschäftigen – und ihre drohende offizielle Legalisierung in der EU, bevor ich mir die Abschlussveranstaltung ansah.
Diese bestand zur ersten Hälfte aus einer hübschen Jeopardy-Inszenierung für Geeks (es galt, Star-Trek-Titelmelodien, Protokollnummern, Ego Shooter, Window Manager, Zehnerpotenzen u.ä. zu erfragen) und zur zweiten aus einer Gesamtauswertung des Kongresses, der Lokalität, des Internetverbindungszusammenbruchs, des subjektiv empfundenen Drogenkonsumausmaßes sowie dem Aufruf, aufzuräumen.
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