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Notizen zum Cryptonomicon

[Nachträglich ge-futur:plomt.]

Cryptonomicon
Roman, Neal Stephenson, USA 1999.

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Die deutsche Ausgabe.
Mit seinen 1181 Seiten in der deutschen Ausgabe ein echter Wummer, muss man sich erstmal an Cryptonomicon rantrauen. Lohnt sich aber. Eine ausufernd komplexe Handlung und Themenbreite rechtfertigt die hohe Seitenzahl. Die Eckdaten:
Zeit: Zweiter Weltkrieg und Gegenwart.
Ort: Von den Philippinen, Japan und dem Südsee-Sultanat Kinakuta bis Bletchley Park, England, Schweden und dem sonderlichen Outer Qwglhm.
Personal: Angehörige diverser Armeen und Geheimdienste im Zweiten Weltkrieg (amerikanisch, deutsch, japanisch), Mathematiker, Berufstaucher, IT-Entrepeneure, Hacker, geheimbündelnde Priester und Alan Turing, Anwälte, Zahnärzte, ein mörderischer ludditischer Usenet-Troll.

Zeitlich und geographisch wird munter hin und her gesprungen, die einzelnen Handlungsbögen und Figuren sind familiär oder konspirativ miteinander verbunden und teils erst spät zusammengeführt. Eine grobe Übersicht der Handlungsbögen:
Krypto-Krieg zwischen Nazis, Japanern und den Alliierten, nebenbei Erfindung des Computers. Hochkomplizierte, sexualtriebsbedingte Arbeit von damaligen und heutigen Nerds an ihrer eigenen Sozialisierung. Die informationstechnische Verkabelung der Philippinen durch abgebrühte New-Economy-Kapitalisten. Wie ein zäher US-Marine sich durch die wahnwitzigsten Invasionen und Geheimdienst-Einsätze kämpft und ein japanischer Soldat durch Kannibalismus und Kriegsgreuel sich wurschtelt, um von General MacArthur persönlich zum Christen getauft zu werden. Die Errichtung eines unantastbar sicheren Internet-Datenhafens und der Aufbau eines neuen digitalen Wirtschaftssystems, um zugleich einen weiteren Holocaust zu verhindern.

Und dazu gibt's natürlich noch allerlei Neben- und Untergeschichten. Sehr viel Platz wird halb-essayistischen Ausflügen und Abschweifungen eingeräumt, etwa zum Aufbau von Betriebssystemen, dem chinesischen Bankenwesen der Dreißiger Jahre, der Kieferchirurgie, der Usenet-Kultur, den richtigen Cornflakes-Kau-Methoden und der Kryptographie. Perl-Skripte werden vollständig abgedruckt und Bruce Schneier erläutert in einem Anhang sein Krypto-Verfahren "Solitaire".

Cryptonomicon zeichnet ein Panorama umfassender Weltumwälzungen, an denen die Romanfiguren bewusst als Zuschauer und Opfer teilnehmen oder unbewusst als Wegbereiter und Auslöser wirken.

Im Krieg: Die kräftigen, kämpferischen Kriegshelden des Buches werden in sinn- und aussichtslosen Missionen verheizt. Die Intellektuellen, die Mathematiker hinter der Front dagegen knacken halb-gelangweilt die wichtigsten Feindcodes und entscheiden damit im Wesentlichen das Kriegsgeschick, arbeiten im Hinterkopf aber bereits an informationswissenschaftlichen Problemen der Nachkriegszeit. Praktisch, das ihnen das Militär dabei die nötige Infrastruktur bereitstellt, um an neuen Rechenmaschinen zu basteln, den Random Access Memory zu erfinden und die Grundlagen für unsere moderne Gesellschaft zu legen. Nicht mehr der Soldat, Draufgänger, Macho, Revolverheld oder Muskelprotz, überlebt, rettet die Welt und kriegt das Mädchen ab, sondern der Geek.

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Das englischsprachige Original.
Außerdem noch in der Gegenwart: Großprojekte im Bereich der Informationstechnik und Aufbau, Verschlüsselung sowie Deckung einer virtuellen Währung. Es geht um Investitionen, Aktienmehrheiten und Gewinne. Es geht den Machern, den exzentrischen Multimillionären, Idealisten und Fanatikern, erfolgreichen Entrepreneuren und bereits x-ten Firmenpleitiers hinter alledem aber auch um eine Neuverteilung der globalen Machtverhältnisse. Um nichts Geringeres als eine Revolution der Kommunikations-, Informations- und Wirtschafts-Strukturen, gefürchtet von den alten Mächten und nationalen Regierungen. Zuallerletzt gibt's die größte Befriedigung dann aber doch ganz konventionell durch Sex und schimmerndes Gold; und letztlich die genetische Vereinigung der Soldaten-Muskelprotz-Linie mit der Geek-Linie.

Cryptonomicon ist ein immens umfassender und leicht verrückter Rundumschlag durch die historischen, geistigen und ökonomischen Grundlagen unserer Informationsgesellschaft, ihre Entstehung und ihre Utopien.

Wednesday September 22, 2004

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Kommentare

  1. HodRuZ / 11. August 2007, 17:13 Uhr

    Gratuliere zum Lesen dieses interessanten Buches. Auch mir bereitete es viel Freude.

  2. Christian / 12. August 2007, 01:47 Uhr

    Huch! Mir nicht aufgefallen, der Text ist schon knapp drei Jahre alt, jetzt ist er merkwürdigerweise bei ein paar Blogeintragsbearbeitungen wieder nach vorne gerutscht ;)

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