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State of Capitalism, 18. März 2009

Kommentare [3]   Wednesday March 18, 2009

Antwort auf Techno-Amish-Märtyrerei

Eine ausführliche Antwort auf Chris P.:

Du beschwerst dich, dass die Internet-Welt nicht mehr kompatibel sei zu deiner künstlich (!) veraltet gehaltenen Rechner-und-Software-Ausrüstung. Nun, Rechner und Software = Kulturtechniken, wie Sprache. Gehört es zu meinen Eigenheiten, dass ich nur Latein sprechen und mich neueren Sprachen verweigern möchte, sperrt mich die Welt auch ziemlich aus. Vielleicht finde ich eine Lateiner-Community, mit der ich zu gemeinsamen Vergangenheits-Nachspiel-Treffen meinen Spaß haben kann, aber ich kann schwerlich von der Restwelt verlangen, dass sie hinter Sprach- und Kulturgeschichte post AD 500 mitsamt neu hinzugewonnen Möglichkeiten, Freiheiten usw. zurücktritt, um meinen Ansprüchen an die Vergangenheit zu genügen.

Wir haben eine schöne gesellschaftliche Regel: ein Freiheiten-Gleichgewicht: deine Freiheit darf unendlich weit reichen, es sei denn, sie reduziert so die Freiheit der Übrigen. Die Welt hat mit den Jahren Ozeane neuer Freiheiten geschaffen. Es steht dir frei, diese in Anspruch zu nehmen oder nicht; du wählst die bewusste Verweigerung, schön und gut. Dann erwarte aber nicht, dass du damit auch Andere nötigen kannst, von ihren neuen Freiheiten abzulassen. Sie werden sich dir gegenüber nicht in der Bringschuld sehen, denn es ist deine freie Entscheidung, wie anno 1995 zu leben; niemand zwingt dich dazu.

Sich auf Hardware und Software (!) anno 1995 zu beschränken, ist eine aktive Wahl; da kann man sich auch nicht mehr mit "ich will aber nicht genötigt werden, ständig für Neues Geld auszugeben" rausreden, denn erstens könntest du auch mit so mancher Linux-Distribution ohne Geld-Investition sehr viel mehr aus deiner Maschinerie herausholen, zweitens dürfte der künstliche Erhalt dieses historischen Stands dir nach einer Weile mehr Kosten verursachen, als mit den Veränderungen der Welt, die schon immer eine dynamische war, mitzuhalten.

Das Tempo mag anziehen, aber die Kultur der Beschleunigung erleben wir nicht erst seit einigen Jahren, sondern seit vielen Jahrhunderten. Auch die Zeit, in die du dich zurücksehnst, die Technologie- und Kultur-Welt der 1990er, war nur aufgrund dieser Beschleunigungswelle möglich. Du willst auf der Welle surfen, aber nicht, dass die Welle sich dabei bewegt.

Sich künstlich zu beschränken, kann eine interessante Übung sein, die auch Gutes schaffen kann, wo sie Freiheit schafft von Ballast. Aber dafür ist das Festhalten an historischer Vergangenheit IMHO der falsche Ansatz. Die Frage ist gut und richtig, was man z.B. mit einigen wenigen Kilobyte auch schon schaffen kann, aber diese Frage ist eine Andere als die, was das Jahr 1990 schaffen konnte. Das sind weniger historische als viel mehr technische Fragen, die z.B. Microcontroller-Bastler, Entwickler für Embedded-Systeme, Betriebssystem-Programmierer usw. sehr aktiv beschäftigen. "Weniger ist mehr" ist etwas Anderes als "Früher war alles besser".

Kommentare [6]   Tuesday March 10, 2009

Techno-Amish

Ablehnung der Moderne ist kein ungewöhnliches Phänomen, aber interessant wird sie da, wo sie mit einer Nostalgie für nur wenige Sekunden frühere Moderne verbunden ist.

Kommentare [1]   Monday March 9, 2009

Notizen

  Monday March 9, 2009

"We could have been exploring the galaxy by now"; was haben uns die "Dark Ages" an Fortschrittszeit gekostet?

Diagramm, das aufzeigen will, dass die vom Christentum verursachten Dark Ages die Technologische Singularität um tausend Jahre nach hinten verschoben haben.

Bild via Matthias Rampke, Quelle, Quelle der Quelle.

(Sicherlich hoch problematische) Geschichts-These:

In der "Achsenzeit" nimmt die menschliche Zivilisation, gerade zu Bewusstsein gelangt, an Fahrt auf. Besonders fruchtbar ist seit einigen Jahrtausenden der Mittelmeerraum. Hier machen sich nun binnen weniger Jahrhunderte materialistisch-wissenschaftliche Ansätze breit; mit Logik und Mathematik werden die Natur erforscht, der Erdumfang berechnet und die Atomtheorie begründet. Die griechisch-römische Kultur verwandelt binnen eines Jahrtausends den urzeitlichen Jäger-und-Sammler-Dschungel Europa in einen hochtechnologisierten pluralistischen Rechtsstaat, dessen Infrastruktur Kulturräume von Afrika bis Britannien, von Gibraltar bis zum Orient kommunikativ und logistisch zusammenführt und nach hohem Standard zivilisiert. Doch das "Imperium Romanorum" zerbricht; nicht zuletzt an sich selbst. Der Leichenfledderer seines politischen Kollaps ist eine apokalyptische Märtyrer-Sekte aus dem Nahen Osten mit weltanschaulichem Alleinvertretungsanspruch. Das Christentum setzt sich an die Spitze und verwandelt die europäische Gesellschaft totalitär ins eigene Gottesstaats-Ideal. Dabei werden einige Formeln und Riten der griechisch-römischen Kultur übernommen, die politisch ins Konzept passen; der Rest wird verächtlich gemacht, geschlossen, verschüttet, verbrannt. Die Olympischen Spiele, das Orakel von Delphi, der philosophische Unterricht in Athen, alles wird verboten; die verblienenen Intellektuellen flüchten an die Peripherie und von dort ins Perserreich. An Stelle eines in der Summe säkulären Pluralismus tritt eine mystische Monokultur, die religiöse Verinnerlichung über materialistischen Eifer und dogmatische Betformeln über wissenschaftliche Neugier setzt. Bibliotheken werden aufgelöst. Das angesammelte Wissen der letzten tausend Jahre wird weggewischt und ersetzt durch den Text des Einen Heiligen Buches. Jene, die noch lesen und schreiben können, können es immer schlechter. Die Städte und Straßen verwahrlosen. Die Aquädukte verfallen, und bald weiß niemand mehr, wie man sie wieder in Stand setzen könnte. Auf dem Forum Romanum weiden Kühe. Die Philosophen und Dramatiker, Mathematiker und Oratoren der Antike werden vom Pergament geschrubbt, um Bibel-Psalme drüberzukopieren; immerhin, von diesen Pergamenten bleibt zum Ende vielleicht noch mehr übrig als von jenen, die einfach vernichtet wurden. Wenige Jahrhunderte nach Gaius Julius Cäsar ist Europa afghanisiert, zurück auf Null. Es wird ein Jahrtausend brauchen, um wieder zu einem der Antike vergleichbaren Stand zurück zu finden.

So ungefähr lässt sich europäische Geschichte skizzieren, wenn man den Begriff der "Dark Ages" mag, jener Jahrhunderte vom Abstieg Roms an, in denen das europäische Geistesleben stagniert, die schriftlichen Zeugnisse versiegen und auch die Überlieferung aus der Antike abstirbt, soweit sie nicht am Rand des Spielfelds, Richtung Asien und Arabien, aufbewahrt wurde. Das "dunkle Zeitalter" wurde vor allem nachträglich, ab der Renaissance, als ein solches beschworen. Es lässt sich leicht ideologisch instrumentalisieren. Man kann den Buhmann dem Zusammenbruch des Römischen Reiches als Eigenverschulden seiner Wirtschaftsstruktur zuschieben, das in großer Unnachhaltigkeit wuchs (Stichwort Deforestation); dem Druck der Völkerwanderung; oder auch einem Verfall der Geisteswelt, für dessen Betrachtung natürlich gerade auch Faktoren wie das Christentum sich anbieten. Mich an letzterem abzuarbeiten, dazu hat mich grad das Kapitel "The Near-Death of the Book, the Birth of Christian Art" in Peter Watsons "Ideas: A History from Fire to Freud" (dt.: "Ideen: Eine Kulturgeschichte von der Entdeckung des Feuers bis zur Moderne") (Amazon.de-Affiliate-Links!) inspiriert, das ein ziemlich deprimierendes Bild vom Niedergang der Schrift- und Geisteskultur unter der neuen christlichen Vorherrschaft zeichnet.

Man kann das Problem wohl nicht allein auf den Memeplex Christentum reduzieren; aber man behalte die Geschichte seiner geistigen Machtergreifung und ihre unmittelbaren Folgen im Hinterkopf, wenn wieder einmal das Begründetsein unserer westlichen geistigen Traditionen und Fortschritte im Erbe des Christentums behauptet wird. Das hiesige Erbe begründet sich mindestens so sehr auf der vorchristlichen Antike, teils in den Ausschnitten, die das Christentum gnädig durch sein Zensurnetz ließ, vor allem aber auch in dem, was ab der Renaissance durch Umwege wie die arabische Welt wiederentdeckt wurde; auf germanisch-slawischen Stammes-Kulturen, deren Eroberungszüge und Königreichsgründungen Europa politisch und wirtschaftlich völlig neu strukturierten; und auf den Instabilitäten, Schismen, Reformen, die das Christentum gerade auch als Reaktion zwischen derlei Polen, als Anpassungs- und Zerreißproben und unter Druck von den Rändern durchmachte. Was war der christliche Beitrag zu Humanismus, Aufklärung, Industrialisierung, Demokratie, Kapitalismus, Globalisierung, den nicht in einer Parallelwelt genauso naheliegend oder paradox der Islam, der Buddhismus oder der Konfuzianismus hätten liefern können? (Wie sowas hätte aussehen können, skizziert Kim Stanley Robinson in seinem Roman "The Years of Rice and Salt" (Amazon-Affiliate-Link!), in dem das christliche Europa im 14. Jahrhundert durch die Pest ausgelöscht und durch den Islam neu besiedelt wird, der sich in den folgenden Jahrhunderten mit den übrigen Kulturmachtzentren Asiens einen Wettlauf ums teleologisch arg zur Wirklichkeit parallelisierte Erreichen der Moderne liefert. Es gibt bittere Szenen, in denen die islamischen Siedler gewissermaßen das primitive Hüttenwerk der Pest-niedergerafften Dörfer achtungslos zur Seite räumen, um bewundernd die darunterliegenden Überbleibsel der fortschrittlichen römischen Architektur zu studieren.) Das Christentum hat eine tausendjährige mathematisch-philosophische, materialistisch-naturforschende, technologisch-erfinderische Tradition abgebrochen und vergraben, und für was? Für den Rückzug in selbstgerechte Heilige Texte und inzestuös um diese herumschwirrende scholastische Metaphysik; fürs Verächtlichmachen der Welt und ihrer Möglichkeiten zugunsten mystisch-jenseitiger Heilsversprechungen. Gegenargumente?

Aber genug der Schuldzuweisung. Die Fragen, um die es mir eigentlich geht, sind eigentlich andere:

Kommentare [27]   Wednesday March 4, 2009

Staaten verschiedener Art

Territorial-Staaten müssen ihre National-Staatlichkeit reduzieren, um besser durch die Krise zu kommen. Stattdessen: globale Digital-Staatsbürgerschaften.

Erleben Digital-Staaten wie Facebook, eigentlich eine kapitalistische Top-Down-Körperschaft, einen Demokratisierungs-Druck ihrer "User" von Unten?

Vielleicht als Ergebnis der totalen Reise-Freiheit, die zwischen Staaten (Communities) besteht und so deren Regierungen von Unten her via Abwanderdrohung erpressbar macht?

Ist die "Data Portability" Grundbedingung dieser Reise-Freiheit und damit der Demokratisierung dieser Internet-Länder? Sind "Walled Gardens" dann die DDR des digitalen Zeitalters?

Kommentare [1]   Wednesday March 4, 2009

State of Capitalism, 2. März 2009

WIRED fordert in einem Manifest zur Finanzkrise "Radical Transparency Now!" und meint damit, man müsse nicht nur die Finanz- und Wirtschaftswelt nötigen, ihre Zahlen irgendwie öffentlich zu machen, sondern vor allem auch, diese immer unübersichtlicheren Datenwuste in omni-zugängliche, standardisierte und vielseitig verschaltbare Informationsformate zu gießen, die sie jedermann nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch erschließen; eine Art Web-2.0-Usability-und-Standardisierungs-und-Post-Privacy-Revolution für Geldflüsse und Finanzinstrumente; das Vertrauen in die Experten-Elite ist erschüttert, setzten wir jetzt auf Hebel pro wisdom of the crowds; "[give] everyone the tools to track, analyze, and publicize financial machinations"; "require [...] to report more granular data online [...] uniformly tagged and exportable into any spreadsheet, database, widget, or Web page".

Eine Transparenz-Revolution wurde auch auf dem "AktienCamp" gefordert, das ich am Wochenende besuchte. Diese Forderung verklang freilich nicht ganz eigeninteressefrei, das Ganze wurde nämlich vom Kleinanleger-Aktientipps-Community-2.0-Portal MyStock/StockFlock organisiert. (Auf ein ganz ähnliches Projekt namens Spekunauten.de will ich bei der Gelegenheit hinweisen, weil ich persönlich weiß, dass dahinter ein Singularitäts-faszinierter Futurist steht.) Aber als Tenor klang mir auch von den eingeladenen Referenten im Ohr: Misstraut den Banken. Misstraut der Expertise der Finanzberater. Das Wissen zur Orientierung in der Finanzwelt müssen wir uns jetzt, auch aus dem Kollaps konsequenzziehend, selber machen, neu aufbauen, bottom-up uns die Märkte und das in ihnen organisierte Wissen und Wirken erschließen. (Communities wie MyStock oder Spekunauten als Profiteure eines Vertrauensverlusts ins klassische Finanzwesen?) Oder die Märkte ganz selbst übernehmen/machen: Smava.de z.B. stellte sich als Peer-to-Peer-Kreditvermittlungs-Community vor, wo jederman (oder ein Spontanverband von jedermans) jederman Kredite geben kann, wobei Ausfälle durch Risikoeinpreisungsintelligenz ("es gibt kein zu hohes Risiko, nur ein falsch eingepreistes", je riskanter, desto höher die Risikogebühr, die die Ausfallersatzkasse füllt, aus der smava nicht zurückgezahltes Geld (aber keine Zinsen!) begleicht; gerechte Sozialisierung der Verluste?) aufgefangen werden.

Dieweil stehen weiter der Zusammenbruch sowohl der Autoindustrie als auch der Medienindustrie im allgemeinen Interessenfokus. Zu General Motors, Porsche, Schaeffler usw. will ich gerade gar nix mehr schreiben. Zur Medienindustrie: deren Untergang hat jetzt einen eigenen Twitter-Account, @TheMediaIsDying. Tim Renner (sein entsprechender Bestseller heißt Kinder, der Tod ist gar nicht so schlimm!, was beweist, dass er die Branche noch mit viel zu viel Optimismus umschmeichelt) vergleicht "die Journalismuswirtschaft" in ihrer Überlebensfähigkeit mit der Musikindustrie. Tatsächlich übt sich "die Journalismuswirtschaft" ästhetisch wirkungsvoll in Selbstmitleid, wie dieser Kurzfilm zum Ende der 150jährigen Zeitung "Rocky Mountain News" beweist. Auch hier wird stets wiederholt, was für eine politische Tragödie der Untergang der Printzeitungen für die Öffentlichkeit, für die Gesellschaft sei, und das ist natürlich wirklichkeitsignorierende Selbstgerechtigkeit, aber die Tränen der Mitarbeiter, deren Lebensplanung kollabiert, sind fraglos real. Auf dem Arbeitsmarkt tut sich für viele ernstlich die Frage auf: "Is It Time to Get Out of Journalism?"

Dieweil (via "Neuronale Emergenzen") Berufsfuturist Bruce Sterling: "I'm not scared by any of this. I regret the suffering, I know it's big trouble -- but it promises massive change and a massive change was inevitable."

  Monday March 2, 2009

3D-Bausteln; BaustelMontag

Um mal ein bisschen konkreteres Material zum ganzen Produktionsrevolutions-Utopisieren zu liefern:

[Hier war mal ein Embed von http://widgets.nbc.com/o/47f1317f105123ad/49a853a56918c541/47fe70d4555df05a/a0f2818a/-cpid/ba4377d3bfd6c81.]

Via Bausteln, ein Projekt zum Hacken der physischen Welt von Philip Steffan, an dem ich als "Chef-Inspirator" mitzuwirken die Ehre habe:

bausteln.de will dir das Wissen und die Mittel an die Hand geben, um die Dingwelt um dich herum neu zu erfinden, umzubauen und mit Intelligenz anzureichern:
Baustel die Maschinen, Roboter, Kunstwerke der Zukunft!

Die Werkzeuge, Materialien und Baupläne hierfür demokratisieren sich, werden handlicher, verfügbarer, offener. Um anzufangen, braucht man keine mehrjährige technische Ausbildung mehr. Wer Spaß am Lego-Spielen oder Origami-Falten hat, bringt bereits alle Voraussetzungen mit, um zum Baustler zu werden.

Einen kleinen Probeworkshop zum Bausteln mit Arduino-intelligenter Elektronik haben wir bereits abgehalten (siehe diesen Bericht bei den Blogpiloten); nächsten Montag, also morgen, veranstalten wir einen BaustelMontag, sowas Ähnliches wie ein WebMontag, d.h. ein informelles Zusammenkommen Themen-Interessierter mit einem kleinen Kurzpräsentationen-Slot-Alibi. Sind bereits einige vielversprechende Vorträge ins Wiki eingetragen; eben das Wiki, wo man auch selber sein eigenes beabsichtigtes Kommen als Zuhörer oder Referent eintragen kann. Eintrudelzeit ist 19 Uhr (Vorträge ab 20 Uhr), Ort: die ins Coworking-Netzwerk Hallenprojekt (wo ich für "Theorie und Taktik" zuständig bin) eingebundene Coworking- und Veranstaltungs-Location / Bar "Ori" in Neukölln in der Friedelstraße 8.

Kommentare [1]   Sunday March 1, 2009

Kulturflatrate? Naja.

Neulich erwähnte ich die gerade politisch recht konkret diskutierte Utopie des Bedingungslosen Grundeinkommens und sympathisierte eher. Heute möchte ich eine andere politisch recht konkret diskutierte Utopie erwähnen, der ich eher skeptisch gegenüber stehe: die “Kulturflatrate” (Wikipedia). Anlass: Markus Beckedahl hat für Netzpolitik.org ein ausführliches Gespräch mit dem Medienforscher Dr. Volker Grassmuck über eben dieses Konzept geführt, ein Podcast, den anzuhören ich nur empfehlen kann.

Die “Kulturflatrate” ist grob gesagt die Idee einer Legalisierung von Filesharing durch eine monatliche Pauschale, die an die in Tauschbörsen getauschten Kulturproduzenten ausgeschüttet werden solle. Wir gehen davon aus, Filesharing is here to stay, aber es gibt da noch die Geldeinnahme-Interessen der Produktionsseite, und die Kluft zwischen beidem macht Ärger. Die “Kulturflatrate” soll diese Kluft nun überbrücken: sicherstellen, dass die Kulturproduzenten entlohnt werden, und gleichzeitig den Filesharing-Nutzer vor Einschränkungen seiner Netzfreiheiten durch repressive Konstrukte wie DRM (“Digital Restrictions Management”) oder drakonische Strafaktionen (“three strikes and you’re out”, den Filesharern ein Internetverbot aussprechen) schützen.

Rechtssicherheit für meine Netzfreiheit mit einer geringen monatlichen Pauschale erkaufen, das klingt doch erstmal nicht schlecht. Aus Nutzerseite gesehen würde es wohl (bei vertretbar geringer Höhe der Pauschale) erstmal einer Entlastung und einem Freiheitsgewinn gleichkommen. Meine Skepsis richtet sich aber vor allem gegen a) den Verteilungsapparat, den die “Kulturflatrate” benötigen würde (notwendig würden eine zentralistische Bürokratie und Erfassungs- und Regulierungsmaschinerie, die “Kultur” und ihren “Konsum” sortiert und nach dieser Sortierung finanziell entlohnt) und b) dass sie einen speziellen “Kultur”-Vergütungsanspruch affirmiert, dessen Zeitgemäßheit ich hinterfragen möchte.

a) Erfassungs- und Verteilungsapparat

Wir haben solche Konstrukte wie die GEMA, und die erweisen sich gerade gegenüber der hohen kulturellen Dynamik des Web als zu unflexibel, um überhaupt technisch mitzukommen; sodass die resultierende Ausschüttung größtenteils immer noch nach längst obsoleten Normen des letzten Jahrhunderts verläuft. Bürokratie und Ineffizienz fressen sich in so einem Apparat satt. Kulturflatrate-Befürworter führen nun Ideen für intelligentere und effizientere Verteilungsautomatismen an, die z.B. die Zirkulationsgröße eines Titels in Filesharing-Börsen direkt misst und in Ausschüttungsanteile umrechnet usw. Das stellt technische Herausforderungen, die erstmal geleistet werden müssen; es fordert z.B. von Medienzirkulationstechnik, Überwachungsmechanismen zu implementieren, die an die Verteilungsschlüsselintelligenz der Kulturflatrate zurückfunken. (Da gibt es z.B. kritische Datenschutzfragen, die mir aber als Post-Privacy-Apologet erstmal egal sind; und natürlich, wenden die Kulturflatrate-Befürworter ein, könne man sowas auch anonymisiert erfassen; aber ich kann mir auch Verteilungsschlüssellogiken vorstellen, die es erfordern, dass man z.B. misst, ob eine Datei jeweils einmal von hundert Menschen konsumiert wurde oder hundertmal von einem Menschen, und da würden die Erfassungsmechanismen schon sich auch stärker personalisieren müssen.) Da müsste man erstmal mit Zwang oder Moral jeden Tauschbörsenentwickler nötigen, dem zu folgen.

So ausgefeilt das Mess- und Verteilungsschlüsselsystem auch sein mag, das man sich zurecht legt, ich sehe eine enorme Herausforderung darin, es so flexibel zu gestalten, dass es mit der ungeheuren Kulturveränderungsdynamik des Web mithalten kann. In vergleichbaren Fällen braucht es heute ja schon mehrere Jahre, damit festgefressene Interessengruppen und Bürokratien und Politiker sich über Zahlen hinterm Komma in einigen grundstrukturell unveränderten Rechenformeln einig werden; dieweil sich im Web mit Eilgeschwindigkeit nicht nur einige quantitative Verteilungen, sondern vor allem auch qualitative Bedeutungen verändern. Heute reden wir von mp3s und AVIs, morgen von interaktiven Multimedia-Content-Flüssen ohne klar definierte Grenzen, die im Hin und Her zwischen wandernden Nutzerscharen spontan entstehen und wieder vergehen. Die Verwertungsindustrien haben gerade mal begriffen, was Napster war, da kippen Bittorrent und YouTube die Badewanne mit neuer Technologie/Kulturtechnik gleich von Neuem aus. Eine Messlogik, die sich auf festgelegte technologische Verbreitungsstrukturen und Verteilungscontainerformen (wie etwa das einzelne Stück, den einzelnen Film) konzentriert, dürfte kaum mitkommen; eine Messlogik mit der notwendigen Flexibilität dürfte sich kaum politisch durchsetzen lassen. Wie sähe eine Kulturflatrate für 4chan aus?

Zwischenfazit

Aber vielleicht will die “Kulturflatrate” gar nicht alle Probleme lösen, sondern erstmal Luft aus der Contentpiraterie-Hysterie rausnehmen. Eine Art Schutzgeld gegenüber der Verweltungsgesellschaftenmafia, damit sie uns endlich in Ruhe, damit sie ein Verhalten gewähren lässt, das längst allgemeine und produktive Kulturtechnik geworden ist, hinter die wir nicht mehr zurückkönnen. Eine langfristige Lösung sehe ich in der Kulturflatrate nicht. Kurzfristig könnte sie aber vielleicht auch Freiraum schaffen, indem sie den neuen Netzfreiheiten eine größere Akzeptanz auch unter den vorherrschenden Systemen verschafft. Der kurzfristige Freiheits-Impuls, der dazugewonnen wird, darf aber nicht geringer sein als der Druck der neuen zentralistischen, langfristigen Kontrollstrukturen, die man sich damit als Kollateralschaden einkaufen würde. (Dass ein solcher Apparat Spielball machtpolitischer Interessen werden könnte, die einen etwa fordern könnten, nationale Kultur darüber zu fördern, die Anderen, “gute” Kunst besser zu stellen als “schlechte” — sollen YouPorn-Videos genauso vergütet werden wie Beethoven, werden halbillegale Neonazi-Bands auch von meiner Pauschale bezahlt? —, brauche ich wohl gar nicht erst mit anzuführen. Wie weit die Akzeptanz für die politisch unsensible Objektivität blinder Algorithmen reicht, sieht man ja bei deutscher Google-Suchergebniszensur.)

b) Affirmation des “Kultur”-Vergütungsanspruchs

IMHO ist inzwischen jedes Geschäftsmodell, das auf Verknappung/Monopolisierung digitalisierter Informationen setzt, und damit auch der meiste Paid-Content-Krams (ausnehmen würde ich Konzepte wie z.B. Geld vor der Produktion zu zahlen; der Schriftsteller, der erst das nächste Kapitel abliefert, wenn eine Mindesteinnahmesumme erreicht ist), langfristig dem Tode geweiht. Die Industrie, die weiterhin darauf setzt, kracht zusammen. Vielleicht mogelt sich mancher mit “innovativen Geschäftsmodellen” (auch die meisten Konzepte für Werbeeinnahmen sehe ich als langfristig dem Tod geweiht an) durch, und vielleicht entstehen so ja sogar nachhaltig neue Wirtschaftswege, um mit digitalisierter “Kultur” Geld zu verdienen. Vielleicht ist der Zug aber auch abgefahren. Warum soll ich noch Geld für etwas bezahlen, das bereits im Netz liegt? Die Arbeit ist ja bereits geleistet. Ja, aber dann verhungern doch ganz viele Künstler? Nun, niemand sollte verhungern, das möge ein Bedingungsloses Grundeinkommen sicherstellen (das auch Volker Grassmuck übrigens im Podcast in Erwägung zieht als Alternative zur Kulturflatrate, aber letztere als politisch in erreichbarerer Nähe verortet), aber warum sollte man daneben jene extra subventionieren, die dieses Ding “Kultur” (überhaupt, wer definiert, ab wann mein Content “Kultur” ist, oder fällt darunter jede Zeichen- bzw. Reiz-Anordnung, die ich weiterreichen kann? Wenn ich an meine Brille eine Kamera montiere und einen Feed meines gesamten Tagesablaufs ins Netz funke, ununterbrochen, ist das dann auch “Kultur”?) “produzieren”? Weil Kultur wichtig für die Gesellschaft ist! Ja, aber ich glaube nicht, dass plötzlich keine menschliche Kultur mehr entstehen würde, bloß weil ein mit ihr verbundenes kapitalistisches Wirtschafts- und Warenformmodell überrumpelt wurde (natürlich, eine Kulturproduktion wird beeinflusst von ihrem wirtschaftlichen Modus, aber das geschieht gleichermaßen unter Kommerzialismus oder Staatsgremien-genehmer Förderung oder wohlstandsgesättigtem “Interesse-losem” Zeitvertreib der Goldlöffel-Aristokratie). Höhlenmalerei gab’s schon vor dem römischen Mäzenatentum, Musik schon vor Kirchenkapellenaufträgen und Literatur schon vor 1-Cent-pro-Wort-Verträgen (wenn wir schon bei einem etwas engstirnigen Kulturbegriff von Kultur als “schönen Künsten” bleiben wollen). Ein Großteil der prächtigsten Kulturproduktionen im Netz entsteht inzwischen ganz ohne Urheberfokus und damit Copyright-Geschäftsmodell, als emergente Meme, die sich selbständig fortpflanzen, ohne Lizenzzahlungen zu verlangen. Der Begriff des Urhebers selbst wird so mehr und mehr in Frage gestellt; und wenn dieser wegfällt, auch als Rechtfertigungspol für die Verwertungsgesellschaft, wer sollte dann noch Content vergütungsfähig “besitzen”? (Etwas weniger schlimm sehe ich es bei Dienstleistungen wie z.B. Live-Konzerten. Die würde ich aber eben als Dienstleistungen im Sinne von Handlungen sehen, nicht als tote Information, die man mit einem Besitzzertifikat abstempeln kann, um dann zu erhoffen, dass sie auch lange nach Vollendung der eigenen Arbeit den Erben noch das Brot schmiert.)

Aber das ist natürlich schon etwas abgehoben von den Realitäten, mit denen die Politik sich rumschlägt. Insofern könnte die Kulturflatrate als near-term-Ziel durchaus kurzfristig freiheitswirken. Vielleicht als Stufe zu Entlegenerem? Aber wie gesagt, wir müssen aufpassen, dass wir im Handel um unsere Sicherheit nicht zuviel von unserer Zukunft an die Vergangenheit verkaufen, uns nicht das wegerpressen lassen, das uns qua Internetrevolution zusteht.

Kommentare [4]   Friday February 27, 2009

Finanzkrise, fuck yeah!

These: Die Finanzkrise ist eine gute Sache. Sie streckt Platzhirsche nieder, baut veraltete Industrie ab, schrumpft Zahnräder in größere Flexibilität.

Warum feiern wir nicht, dass niemand mehr Autos kaufen will? (Nachhaltigkeit.) Lasst die jammernde Autoindustrie verrotten. Einem schwarzen Loch sollte man kein Geld in den Rachen werfen. (Schaeffler, Opel.) Hier sollte man kein anachronistisches Subventionsloch aufreißen (wie zuvor den Steinkohlebergbau). Dasselbe: Papierdruck-Zeitungen. Lieber in Neues investieren; da, wo der Impuls ist.

High-Tech dagegen, das Computerzeitalter z.B., sieht nicht so aus, als würde es zusammenzubrechen (späte Rache der alten Dotcom-Blase an den ‘echten’ Werten). (Apple verkauft mit Rekordquartalsergebnissen seine iPhones und MacBooks, angeblich Rezessions-inkompatible Luxusprodukte. (Disclaimer: Ich jongliere grad, auf kleinstem Probierniveau, ein bissel mit Apple-Aktien. Profitabel, bis jetzt.) Nur bei den iMacs dämpft sich’s etwas, aber das ist kein Wunder, denn Desktop-Computer braucht heutzutage nur noch der an seinen Bürotisch gekettete Cubicle-Arbeiter.) Mobiltelephone (telekommunikationsfähige Handcomputer) schafft sich selbst das ärmste afrikanische Dorf inzwischen an. (Gehungert wird dort heute auch nicht mehr als vor dem Zusammenbruch des amerikanischen Bankensystems.)

Säbelt die Finanzkrise mit Wegkürzung des Alten Entfaltungsraum für das Neue zurecht? Neue Wirtschaftsstrukturen stehen bereits in den Startlöchern, um das freigeräumte Spielfeld zu übernehmen. (Open Source. Endnutzer-3D-Drucker.) Alte Sicherheiten geraten ins Wanken (klassische Arbeitskultur und die damit verbundenen Sozialversicherungssysteme; Informationsverknappungsindustrie: Copyright-Kartelle), aber an Ersatzstrukturen zu Menschengunsten wird bereits gebrütet (selbstbestimmtes Arbeiten und bedingungsloses Grundeinkommen? Intelligenzproduktion durch Informations-Sharing?).

Wir müssen aufpassen, dass wir unsere Zukunft nicht an die Vergangenheit verkaufen. Wir dürfen uns nicht mit unhaltbaren Sicherheitsversprechen ins Gestern erpressen lassen.

Kommentare [11]   Wednesday February 25, 2009

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