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25c3 #2: John Gilmore

[Bloggen vom Chaos Communication Congress]

Tag 1, 10.33 Uhr: Gaycken führt den diesjährigen Keynote-Speaker, Urgestein John Gilmore, ein. Der kommt als coolster Hund überhaupt auf die Bühne: Er trägt von seinem OLPC vor! Er improvisiert aufs Congress-Motto “Nothing to Hide”. Wer so alles was zu verbergen habe. Die Congress-Organisatoren zum Beispiel hätten sicher was zu verbergen: die Router-Passwörter und wo sie das Geld aufbewahren.

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Dann … macht er erstmal eine Pause in seinem Redefluss. Eine lange Pause. Er denkt nach. Eine Minute oder so. Worüber könnte er jetzt weiter noch so reden?

Er entscheidet sich für einen Blick vorwärts aus einem langen Zurück heraus, aus langjährigen Erfahrungen. Damals, ja Damals, was habe man da alles gedacht, was nützlich und wichtig sein würde für den Kampf um die Netzfreiheit, und was nicht; und was wurde dann unerwarteterweise wichtig und nützlich und unerwarteterweise unwichtig und unnütz …

Zum Beispiel WLAN. Unerwarteter Ermöglicher für freie Netznutzung, da schlecht verschlüsselt und in Folge überall anonym als offenes WLAN nutzbar.

Zum Beispiel (staatlich versicherter) Datenschutz. Solche Hoffnungen rein gesetzt. Pervertiert zu einem “Wir wollen alle eure Daten, damit wir sie besser beschützen können!” Unsinn.

Er möchte eine Privacy-Gesellschaft mit Vertrauen nicht in irgendwelche vermeintlich vertrauenswürdigen Autoritäten, sondern in Verschlüsselungsmathematik aufbauen. Man habe sich in den 1990ern das Recht auf Verschlüsselung erkämpft, aber seine Anwendung nicht breit durchgesetzt. Man habe Verschlüsselungsalgorithmen geschaffen, die stark genug seien, dass die NSA sie nicht knacken könne — aber sie würden nicht ausreichend breit genutzt, da zu kompliziert, “got drowned in acronyms”. Nur ein Rand der Gesellschaft nutze sie — das müsse man ausweiten.

Zentralisierung vs. Dezentralisierung; in letzterer eine weitere Macht der Netzfreiheit. Breit skalierbare Dezentralität als technische Grundstruktur, in der das Netz freiheitlich aufgebaut wurde. Heutige Konzepte dagegen, zu verwarnen: Mobiltelephonie (er nennt sein Mobiltelephon ein “useful computer tracking device”), Identitätsüberprüfungszeugs usw. alles nach Prinzipien der Zentralisierung konzipiert, schon im Anfang verkorkst. Sicherheitsinfrastrukturen müssen skalierbar & dezentralisiert aufgebaut werden, um sich durchzusetzen.

Die Erfahrung mit dem Staat: dem amerikanischen. Das System der “checks and balances” durch Gewaltenteilung habe sich im Abhalten von Überwachungs- und Kontrollstaatstendenzen als erfolglos erwiesen. Hierin seien die eingebauten Kontrollstrukturen der politischen Institutionen gescheitert. Keine praktische Rückkontrolle mehr über Überwachungsstaatsgeschäfte.

Was soll man tun? Was? “I can’t hear you.” An den Saal. “I can’t hear you.” Neue Ideen bräuchte es!

Neue Ideen. Hm.

Zum Beispiel — haha, das kommt mir ja gelegen, der ist ja auch eine wesentliche Quelle für meinen Vortrag tags darauf — David Brin, “The Transparent Society”. Die These, dass Transparenz als soziale Funktion zur Freiheitssicherung wichtiger sein könne als Privatheit, die habe ihm schon irgendwie überzeugend geklungen; auch wenn er das in der Konsequenz, jeder möge jeden überwachen, ablehne. Aber wenn man die Überwachung nicht aufhalten könne, dann müsste dieses Kontrollinstrument gleichmäßig unter allen verteilt werden, damit nicht nur wir, sondern auch die Mächtigen /accountable/ würden. “That doesn’t build the kind of world I really want to live in”, aber besser als die pessimistische Alternative sei es schon. Aber vielleicht könnten wir uns ja noch mehr mögliche Alternativen ausdenken?

Privatheit sei ein “social lubricant”, ein sozialer Schmierstoff, der die Gesellschaft trotz der großen, an sich Reibungs-fördernden Verschiedenheit ihrer Teile funktionsfähig halte. Eine Gesellschaft ohne Privatheit bräuchte ein Höchstmaß an Toleranz, um nicht kaputt zu gehen. (Grummel, der soll mir mal nicht alles für morgen vorweg nehmen!)

Viel beschäftigt habe er sich mit Identitätskontrolle. Das Rastern von Identitäten zum Herauspicken jener, die man besonders peinlicher Überwachung aussetzen wolle. Ermöglicht nur durch breite gesellschaftliche Sorglosigkeit über die Verfügbarkeit ‘harmloser’ Daten über einen, die dann als Sprungbrett für Selektion, Targetting benutzt werden könnten. Er lebe in den USA ohne ID/Personalausweis. Sicher, er habe einen Pass, aber nur fürs Ausland, “I use it to escape the country”. Aber jetzt würde der Staat in den USA Landes-interne Pässe durchsetzen. Verpflichtend für die Nutzung Landes-interner Transportmittel vom Flugzeug über den Zug bis zu manchem Bus. Kann er jetzt alle nicht mehr benutzen, da er sich dem Dokument verweigere. Er kann gar nicht begreifen, dass solche Identifizierungsmechanismen hier in Europa durchgängig so völlig schulterzuckend hingenommen würden; dass man, ohne nach Notwendigkeitsgründen zu fragen, sich hier und da z.B. am Flughafen beliebig nach seinem Pass oder Ausweis fragen und so in seiner Identität tracken lasse.

Jetzt steigt die Raumtemperatur an: Gilmore beginnt, sein Hemd aufzuknöpfen. “I have something to hide in here”, zischelt er anzüglich. Er offenbart ein T-Shirt mit einem Bild von Osama Bin Laden und der Aufschrift: “He is still free. What about you?”

Q & A

Jetzt zu den wirklich wichtigen Fragen: Was habe er auf seinem XO/OLPC laufen, möchte das Publikum wissen: Debian! Er meckert, das Gerät habe ab Werk eingebautes DRM, das das x-beliebige Aufspielen dessen, was einem beliebe, erschwere, erst mit Erlaubnis gestatte, die er in Form eines “developer key” bekommen habe. Finde er das nicht seltsam, um Erlaubnis fragen zu müssen, seine Maschine so benutzen zu können wie er wolle? “Abso-fucking-utely.” Er glaubt auch, dass sich in dieser Anordnung irgendwo empfindliche GPL-Verletzungen befänden. Die Maschine werde mit Binary ohne Source Code ausgeliefert. Oh, sicher, wer viel im Internet suche, käme vielleicht an den Source Code ran, aber dort, wo die Maschinen hingeliefert werden sollen, habe man nicht notwendigerweise Internetzugang.

Zur Tagespolitik: “I think it is a really good sign that the US was able to elect a nigger president.” Huch! “I am allowed to say that because I am from Alabama.” Ach so. Na dann! Aber ob Obama wirklich so viel Besseres bedeute als Bush, da sei er sich unsicher; als Libertärer kann er gar nix anfangen mit dem Predigen von Bigger Government, das er Obama nachsagt.

Wie sollen wir die da oben “accountable” machen, fragt einer? In der Praxis hätten doch nur die die Macht, “accountability” durchzusetzen, gegen uns, Einbahnstraße, nicht umgekehrt; sollte man da nicht ein Recht haben, asymmetrische Überwachungsapparate zu sabotieren? Gilmore gegenfragt: “What is this distinction between us and them that you are talking about?” und zieht zum Vergleich amerikanische Weisen der Ermächtigung des Bürgers gegen den Staat heran. Der amerikanische Citizen habe viel mehr Macht, seine Rechte gegenüber einem politischen Oben durchzusetzen, z.B. durch Verklagen und ein vergleichsweise schrankenloses Recht auf freie Rede; Dinge, für die die amerikanische politische Kultur im Ausland oft kritisiert werde.

Was sollen wir tun? Drei oder vier Dinge? Bitte gib uns Handlungsanweisungen, Papa Gilmore! Papa Gilmore schlägt vor, z.B. das ganze Verschlüsselungszeugs einfacher zu machen; es muss großmütterkompatibel werden, wenn es sich durchsetzen soll. Aber er sei hier nicht so sehr, um zu lehren und Antworten zu geben, als von diesem Congress hier zu lernen und vielleicht neue Antworten zu bekommen.

Wie er sich denn auf PGP-Keysigning-Parties identifiziere, so ganz ohne Ausweis? “I never presented an ID card to get my pgp key signed”, Lachen. Blödsinniges Authentifizierungsmerkmal, gefälschte Ausweise leicht zu bekommen.

Sei das gesellschaftliche Recht auf Privatheit nicht notgedrungen einzuschränken gegen gesellschaftsschädigende Gefahren wie Kriminalität und Terrorismus? Gilmore nennt die Geschichte der Privatheitseinschränkungen im Kampf für ein vermeintlich Gutes eine der falschen Prioritätensetzungen, ein strategisches Schlamassel also; wieviele Menschen starben beim 9/11, aber wieviele sterben jährlich an Herzkrankheiten? Und Überwachungsstrategien hätten eine schlechte Erfolgsquote. Also, nein, kein notwendiger Nullsummen-Ausgleich zwischen Privatsphäre und Sicherheit.

Einer kritisiert die bösen Mainstream-Medien und dass die Fernseh-Serie “24” eine schlechte Moral den Menschen lehre. Gilmore antwortet mit der Dezentralisierung der Medienlandschaft, das ist ja das Tolle am Internet.

Wikileaks und Konsorten nennt er “a moral mess”, denn sie würden auch gerade jenen Kräften innerhalb des Systems eine Plattform bieten, die nicht so sehr das System hinterfragen, als einfach politische Gegner, Karrierevereitler usw. ausstechen wollen. Selektive Accountability. Aber andererseits, so lange dabei hintenrum durch solche Egoismen insgesamt mehr Transparenz rauskommt?

Er glaube an den freien Markt, weil der ein dezentralisiertes System sei. Du kannst Dinge ohne Erlaubnis irgendeiner zentralen Stelle tun, vorausgesetzt, du findest irgendwo auf dem Planeten irgendwelche Leute, die bereit sind, dich darin zu finanzieren. Ein dezentralisiertes System schütze unser Vermögen, unseren Musen zu folgen. Andererseits aber glaube er nicht an den Nutzen davon, Privatheit als Ware zu behandeln; denn die Menschen als Marktteilnehmer wären unfähig, ihren Marktwert richtig einzuschätzen, und würden sie tendenziell viel zu billig verkaufen.

Monday January 5, 2009

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